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4 Minuten Lesezeit (727 Wörter)

"Felshupferl"

diagonale1

„Aufstehen Buam. Kaiserwetter is!"

Die laute Stimme von Hedi, der Hüttenwirtin auf der Haindlkarhütte, riss uns unsanft aus unserem ohnehin unruhigen Schlaf.

„Wenns ihr zur Komplizierten wollts, müssts weitertun, sonst kommts ins Finstere"

Ich setzte mich verschlafen im Stockbett des Maratzenlagers auf. Die Komplizierte! Ob wir uns da nicht zuviel zumuten?

Unter mir hörte ich Rainer herumkramen. „Wie will die Hedi wissen, dass es Kaiserwetter gibt?" brummelte er. „Is ja noch stockfinster draussen!"

Gleich darauf hörte ich das Klimpern von Karabinern und Klemmkeilen. Rainer packte schon seinen Rucksack. Ich musste wirklich weitertun.

Der Kaffee in Hedis Küche konnten noch so gut duften. An diesem Morgen wollte er gar nicht schmecken. Das Marmeladenbrot auch nicht.

Es war immer noch stockfinster als wir vor die Hütte traten. Hedi begleitete uns zur Tür. „Passt´s guat auf Felshupferl" sagte sie zum Abschied zu uns. „Und kommts gsund wieder".

Beim nicht enden wollenden Zustieg zur Dachl Nordwand war jeder mit seinen Gedanken alleine. Es waren die zweiten Ferien die wir nun fast zur Gänze im Haindlkar verbrachten. Das beklemmende Gefühl, wenn wir in der Dunkelheit zu den Wänden hinaufstiegen war immer wieder dasselbe. Die düsternen Nordwände lasteten schwer auf unseren Schultern. Würden wir gut genug sein?

Die „Dachlkomplizierte" galt als die schwierigste Route im Gesäuse. Obwohl sie erst sechs Jahre zuvor von Klaus Hoi und Hugo Stelzig erstbegangen wurde, rankten sich bereits Mythen um sie. Geschichten von weiten Stürzen, von Seilquergängen und wenigen und dafür schlechten Haken machten die Runde. Roman Gruber, der mit seinem Bruder Ernst die erste Rotpunktbegehung der Route machte, zeichnete uns ein Topo. Bei ein paar Bieren in der Küche ihres Elternhauses nahmen sie uns ein wenig von der Angst. „Das kriegt ihr schon hin."

Langsam kam das Tageslicht ins Haindlkar. Immer klarer konnten wir Wände und Kanten. Platten und Verschneidungen erkennen. Und auch die breiten Wasserstreifen, die sich über die Dachl Nordwand herunterzogen. Die Unwetter der letzten Tage hatten ihre Spuren hinterlassen.

„Sollen wir trotzdem?" fragte ich Rainer.

Er legte den Kopf in den Nacken und musterte den Routenverlauf.

„Saftelt ganz schön" stellte er fest. „Aber schaun wir einmal. Wenns gar ned geht mach ma die Diagonale"

Schweigend kletterten wir ohne Sicherung den Vorbau zum Plattenspitz hinauf.

Die Komplizierte verlangte uns alles ab was wir draufhatten. Zum Glück hatte Rainer einen guten Tag. Er war eindeutig der Stärkere und stieg die Quergangslängen vor. Wie erwartet steckte wirklich wenig und wir besaßen gemeinsam genau einen Friend und einen Satz Stopper um die Tour besser abzusichern. Beim waschlnassen, lehmigen und dreckigen Riss zum Bananendach aber war auch Rainer mit seinem Latein am Ende. Laut Topo sollte es fünf minus sein aber bei den vorherrschenden Verhältnissen war es eine nicht zu überwindende Hürde. Erst ein beherzter, allerletzter, Angriff brachte ihn zum Bananendach und endlich zu trockenen Fels.

Immer wieder waren wir in den letzten Stunden auf weiße Bandschlingen gestoßen, die durch die Ösen der Haken durchgefädelt waren. „Th.Bub" war mit Filzstift auf die Schlingen gemalt. Es waren Zeugen des legendären Alleingangs von Thomas Bubendorfer im Sommer zuvor.

Rainer kletterte über dem Bananendach bis zu einem fixen Karabiner und stieg wieder ein paar Meter zurück. Eigentlich wäre hier ein Seilquergang nach rechts fällig aber seit Ernstl und Roman Gruber wussten wir, dass man das hier freiklettern kann. Rainer querte an flachen Löchern nach rechts und erreichte nach spannenden Minuten mit einem Freudenschrei den erlösenden Standplatz. Das Schwierigste lag hinter uns.

Als ich am Standplatz ankam, hängte er mir das gesamte Material an den Gurt.

„Jetzt bist du dran" sagte er mit müde wirkender Stimme zu mir. „Ich steige nur mehr nach. Meinen Teil habe ich erledigt."

Obwohl die Kletterei einfacher wurde, war ich am letzten Zacken unterwegs und nach einer gefühlten Ewigkeit schüttelten wir uns am Dachlgrat die Hände.

„Servus"

Es war acht Uhr abends. Wir waren todmüde. Hatten kein Geld um uns Stirnlampen zu kaufen und wussten, dass wir am Peternpfad in die Dunkelheit kommen würden. Mindestens drei Stunden endlos scheinender Abstieg lag vor uns.

Wir kamen in die Dunkelheit. Gerieten beim Abklettern am Peternpfad zu weit rechts und erreichten nur mit viel Glück unbeschadet die Quelle unter der Roßkuppenkante. Nie zuvor haben mir ein paar Schlucke Wasser so sehr geschmeckt.

Kurz vor Mitternacht stolperten wir in die Haindlkarhütte. In der Gaststube saßen noch ein paar Kletterer beim letzten Bier des Abends und gerade als wir voller Stolz von unserem Abenteuer erzählten, hörten wir Hedis vertraute Stimme.

„Felshupferl!

Kommts in die Kuchl!

Die Suppn wird kalt!"

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Kommentare 1

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Harry Hofer

am Dienstag, 10. Oktober 2017 18:18

Super Geschichte! Da kommen Erinnerungen an unsere Begehung auch irgendwann ende der Achziger Jahre hoch. Ging mir ähnlich, war mit dem Bauz unterwegs. Er hat die schweren Längen geführt, ich hab mich irgendwie hinten nach gekämpft. Oben durfte ich nach vor, weil er sich bei einem Abflug an der Hand Verletzt hat. Allerdings waren wir relativ schnell unterwegs und sind noch bei Tageslicht im Tal angekommen. Krönender Abschluß: im Tal war irgenwo ein Rockkonzert und wenn ich mich recht erinnere, klang AC-DC ins Haindlkar herauf! Lg, Harry

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Super Geschichte! Da kommen Erinnerungen an unsere Begehung auch irgendwann ende der Achziger Jahre hoch. Ging mir ähnlich, war mit dem Bauz unterwegs. Er hat die schweren Längen geführt, ich hab mich irgendwie hinten nach gekämpft. Oben durfte ich nach vor, weil er sich bei einem Abflug an der Hand Verletzt hat. Allerdings waren wir relativ schnell unterwegs und sind noch bei Tageslicht im Tal angekommen. Krönender Abschluß: im Tal war irgenwo ein Rockkonzert und wenn ich mich recht erinnere, klang AC-DC ins Haindlkar herauf! Lg, Harry