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3 Minuten Lesezeit (678 Wörter)

Ganz ohne Leiberl

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„Host a Leiberl?" frage ich meinen Kletterkollegen, der gemütlich mit nacktem Oberkörper unter dem großen Überhang am Sektor Dumpfbackenblick sitzt. Soeben bin ich den steilen Hang heraufgekeucht und nun sieht mich mein Kumpel mit großen Augen an.

„Ka Leiberl" erwidert er und trommelt zur Bestätigung wie Tarzan auf seine imposanten Brustmuskeln.

Oje. Schon wieder unser Generationenkonflikt. Ich, als Ewiggestriger, komme schon wieder mit einer Redewendung daher, welche den Jungs heutzutage nicht mehr geläufig ist. Dabei wollte ich doch nur wissen ob er sich Chancen ausrechnet, sein Projekt heute zu knacken. Ob er, wie Herbert Prohaska in gutem, altem, wienerischen Fußballschmäh fragen würde, eben "a Leiberl hat?"

Mein Kumpel versteht mich nicht.

Ich hingegen habe ein Leiberl an. Mein absolutes Lieblingsleiberl. Zwanzig Jahre alt. Am Kragen schon etwas durchgewetzt aber ansonsten tipptopp in Schuss. Das legendäre „Stonehopper" T-Shirt von Gentic. Es hat mich durch unzählige Schlachten begleitet und war bei einigen meiner größten Erfolge „hautnah" dabei.

Überhaupt, wenn ich so zurückdenke, haben Leiberl beim Klettern immer schon eine, nicht unwesentliche, Rolle gespielt. Begonnen habe ich meine Kletterkarriere ja noch mit rotweißrot kariertem Bergsteigerhemd. Damals war ich fashionmäßig absolut dabei aber wie es halt so ist bei den Jungen:

Eine Revolte muss her!

Auflehnen gegen das Establishment!

Die Alten vor den Kopf stoßen, dass es nur so kracht!

Der ideale Zeitpunkt dafür schien gekommen als die ersten Fotos aus dem Yosemite auftauchten. Es war ganz einfach. Irgendein T-Shirt geschnappt. Die Ärmel abgerissen und schon hatte man den John Yablonski Style am Körper. Davor, dass man so wie heute, in jedem x beliebigen Kletterladen die geilsten und modernsten Klamotten so mir nix, dir nix erstehen kann, träumten wir damals nicht einmal. Ich war zufrieden mit meinem Selfmadeleiberl bis zu dem Moment als mir Hias mit seinem neuesten Powershirt aus dem Yosemite über den Weg lief.

„Go, climb a Rock" stand in großen Lettern auf seinem breiten Kreuz zu lesen. Ich verspürte zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie Neid. So ein Shirt hätte ich für mein Leben gern gehabt. Es ist mir bis heute versagt geblieben.

Damals kamen dann auch die ersten „Think Pink" Shirts in unsere Bergsportläden. Sie waren schon mal ein ordentlicher Sprung nach vorne aber gegen das Yosemite Leibchen hatte es trotzdem keine Chance.

Das erste T-Shirt mit dem man wirklich dagegenhalten konnte, kam von La Sportiva. In Gelb oder Violett. Mit Halbmond und Kletterer am Rücken. Das Beste war – man bekam es in Arco und in Finale zu kaufen und musste nicht nach Amerika. Ich hatte, über Jahre, mehrere davon. In beiden Farben. Damit war man dabei und konnte in der Szene mitreden. Es war mein absolutes Lieblingsteil. (Auf dem Foto ist Thomas Hrovat mit ebendiesem Shirt in Action).

Abgelöst wurde es erst zu Beginn der Neunzigerjahre von „der" Kultmarke schlechthin – GENTIC. Ich war völlig geflashed als „Mr. Motivation" Peter Schäffler mit einem Powershirt bei irgendeinem Wettkampf in der Isozone neben mir stand. Mit dem legendären Enzian am Rücken und dem breitesten Lat den man jemals gesehen hat. Cooler konnte man einfach nicht mehr aussehen. Fortan war auch ich auf Gentic. Die Teile waren für damalige Verhältnisse echt teuer. Aber sie waren jeden Cent wert. Ich habe jetzt noch Gentic Klamotten im Schrank. Sie sind einfach nicht umzubringen und begleiten mich bei den allermeisten meiner Unternehmungen.

Gentic verschwand dann irgendwann von der Bildfläche und wurde abgelöst von einer Viehlzahl neuer und unterschiedlichster Marken.

Northface, Mammut, Prana, Black Diamond und E9 – alles super, alles perfekt. Man bestellt online oder ersteht die Shirts zu einem Schnäppchenpreis in Arco oder sonstwo. Niemand mehr muss jetzt viele Wochen auf den Urlaub hinfiebern, in dem es nach Italien oder Frankreich geht. Niemand mehr erlebt heutzutage das unglaubliche Glücksgefühl wenn er den Laden betritt und das langersehnte Objekt der Begierde dort im Regal liegen sieht.

Während ich meinen melancholischen Gedanken nachhänge, klettert mein Freund sein Projekt. Er erreicht den Topgriff,springt ab und trommelt sich, vollgepumpt mit Adrenalin; mit beiden Fäusten wie Tarzan auf die nackte Brust.

„Host des jetzt gsehn?" ruft er mir begeistert zu.

„Ganz ohne Leiberl!"

 

Kommentare 2

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gelöschter User

am Donnerstag, 22. Juni 2017 22:15

genial Horst! aber sag, kennst den "no-shirt-effect" no net? damit macht ma locker 1 grad gut, gleich wie der "neue-kletterschuh-effekt" - für projekte DAS As im ärmel
muss mi scho sehr wundern, dass du den schmäh no net angewandt hast

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genial Horst! aber sag, kennst den "no-shirt-effect" no net? damit macht ma locker 1 grad gut, gleich wie der "neue-kletterschuh-effekt" - für projekte DAS As im ärmel ;) muss mi scho sehr wundern, dass du den schmäh no net angewandt hast :p

Horst Jobstraibitzer

am Freitag, 23. Juni 2017 03:56

Klar kenne ich den no shirt effect. Wobei ich allerdings sagen muss, dass er tragischerweise mit fortschreitendem Alter vom XXL - koste es was es wolle - Markenschweinshirteffect abgelöst wird. Und kürzlich habe ich mir neue Kletterschuhe gekauft, die sogar passten. Aber du hast recht - vielleicht sollte ich doch noch einmal auf deine bewährten Tricks zurückgreifen.

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Klar kenne ich den no shirt effect. Wobei ich allerdings sagen muss, dass er tragischerweise mit fortschreitendem Alter vom XXL - koste es was es wolle - Markenschweinshirteffect abgelöst wird. Und kürzlich habe ich mir neue Kletterschuhe gekauft, die sogar passten. Aber du hast recht - vielleicht sollte ich doch noch einmal auf deine bewährten Tricks zurückgreifen.