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4 Minuten Lesezeit (749 Wörter)

GBL History – „Sommersturm (8)“

Sommersturm

Gerade eben blätterte ich im aktuellen Grazer Bergland Kletterführer, als mir ein offensichtlicher Fehler ins Auge sprang. Die letzte Seillänge des Sommersturms am Ratengrat wird hier als Via Marianne geführt. Schwierigkeitsgrad 7-. Ich kenne diese Seillänge und weiß, dass diese mit dem angegebenen Grad so gar nix am Hut hat. Interessanterweise ist in der 1. Auflage des GBL Führers April 2007 noch alles so wie es sich gehört. Schon seltsam, wie sich Fehler einschleichen können. Meine Gedanken driften zurück ins Frühjahr 1981. An damals, als die Geburtsstunde des Sommersturms geschlagen hat.

1981 war die Blütezeit der steirischen Yosemite Kletterer. Alles, was Rang und Namen in der, noch jungen, steirischen Sportkletterszene hatte, trainierte den ganzen Winter und das ganze Frühjahr über um beim alljährlichen zehnwöchigen, Klettersommer im Yosemite Valley auftrumpfen zu können.

Im Frühling jedoch war an den Wochenenden der gemütliche Sonnenplatz unter dem Ratengrat das Basecamp dieser starken Jungs und Mädels.

Hier machten Geschichten über gekletterte Bigwalls am El Capitan, über aalglatte Platten am Apron und über Traumrouten wie Separate Reality, Hangdog Flyer und Crimson Cringe die Runde. Ich war 18, hatte weder das Können noch die Kohle um mitzufahren und saugte mit glühenden Ohren all diese Stories auf. Hier diskutierte man über die Bücher von Carlos Castaneda und Charles Bukowsky und von hier schwärmte man aus, um Routen wie den direkten Schuppenriss zu klettern oder sich sogar an der Nordrissverschneidung oder am Butterfinger zu versuchen.

Der Nordriss war damals mit einem einzigen Haken am Beginn der Schwierigkeiten alibimäßig abgesichert und ebendiesen Haken nahm ich mir in diesen Tagen zunutze, um im toprope die senkrechte, glatte Wandstelle links vom Riss zu versuchen. Irgendjemand musste einige Jahre zuvor bereits dieselbe Idee gehabt haben. Jedenfalls sah der winzige Einstiegstritt so aus als wäre hier mit Hammer und Meißel ein wenig nachgebessert worden. Aber egal. Tatsache war, dass ich an diesem Tag das Wandstück nicht schaffte. Sehr wohl aber Hias Leitner, dem ich diese Stelle voller Begeisterung zeigte. Innerhalb kurzer Zeit boulderte er die Passage aus und am Ende des Tages stieg er sie mit Seil von oben bis zum alten Ringhaken durch. Vollkommen beseelt vom Yosemite Lifestyle bewertete er sie mit B1-.

Bald darauf konnte auch ich diese Passage klettern und sie wurde in der Folge Teil meines Aufwärmrituals. Wenn man ihn draufhatte, sah der Boulder kinderleicht aus. Jemand der ihn zum ersten Mal versuchte, scheiterte in der Regel gotterbärmlich und ich konnte dessen uneingeschränkter Bewunderung sicher sein. Auch eine Begehung der links danebenliegenden Via Marianne, mit drei Stichtbohrhaken nicht gerade üppig abgesichert und mit 6+ eher streng bewertet, gehörte zu meinem Ritual. Eines Tages entdeckte ich beim Klettern dieser Route, Griffe und Tritte in der senkrechten Kalkplatte rechterhand. Unser Boulder, so dachte ich laut, könnte eigentlich seine Fortsetzung finden. Verschlossen wie ich nun einmal bin erzählte ich diese Entdeckung augenblicklichst meinen Freunden Ernst und Roman Gruber und die beiden machten sich kurz darauf ans Werk.

Am selben Tag an dem mein Kumpel Rainer und ich unter dem Ausstiegsriss der „schönen Männer" in der Roten Wand in ein infernalisches Gewitter gerieten und wir uns mit einem Einfachseil die ganze Wand wieder hinunterseilen mussten, (am Wandfuß sahen wir aus als hätten wir uns in einer Schweinesuhle gewälzt), schlugen Ernst und Roman mit der Hand die letzten Bohrhaken ihrer neuen Route in den Ratengratkalk. Auch sie bekamen die Wucht des Unwetters zu spüren und so war der Name ihrer Kreation auch schon gefunden. – „Sommersturm".

Ernst und Roman machten aus dem ursprünglich geplanten Baseclimb gleich eine Mehrseillängenroute, die in vier Seillängen bis zur Wandmitte des Ratengrats führte. Bewertet mit 8- war sie zu dieser Zeit die schwierigste der längeren Neutouren. Zudem war sie psychisch ordentlich anspruchsvoll. Ich erinnere mich da nur an einen 12 m Runout im oberen 5. Grad ohne Sicherungsmöglichkeit am Ende der ersten Seillänge. (Diese Passage dürfte mittlerweile anlässlich genereller Sanierungsarbeiten entschärft worden sein). Die Ernsthaftigkeit des Unternehmens wird nur durch die Möglichkeit, nach jeder Seillänge in benachbarte Routen auszuweichen, abgemindert. Mittlerweile gilt der Sommersturm als solider Achter und wird leider kaum bis gar nicht mehr geklettert.

Außer es verlässt sich jemand auf das Topo im Führer und quert, im guten Glauben in der Via Marianne zu sein, in der vierten Seillänge nach links in die pralle Wand. Bis derjenige draufkommt, dass irgendwas faul ist, steht er schon weit über dem Haken und es hilft nur mehr die Flucht nach oben. Ich habe es als knallharte 7+ in Erinnerung! Schnappt euch also den Untergriff mit links und zieht durch! Weit, weit oben kommt eine gute Schuppe!

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Kommentare 1

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Michael Gattol

am Montag, 06. November 2017 19:32

haha ... so a verbissenes gsicht 8)

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haha ... so a verbissenes gsicht 8)