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4 Minuten Lesezeit (700 Wörter)

Geht scho? – Geht scho!

Sonnenuntergang am Hochlantsch nach dem Westgrat

Bevor der Frühling nun endgültig einkehrt: Im Dezember auf der Hochlantsch Nordseite. Das Quecksilber Thermometer nahe dem Gipfel zeigt -8°C. Annähernd zum gleichen Zeitpunkt registriert man am Schöckl Windböhen bis 80km/h. Wir befinden uns am Westgrat des Hochlantsch. Während mein Seilpartner etwas verzweifelt versucht am Standplatz etwas Schutz vor dem eiskalten Wind zu finden, arbeite ich mich zentimeterweise in der 2. SL nach oben.

Aufgrund der vielen Kleidungsschichten etwas in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, verklemme ich eines meiner Eisgeräte einem Riss. Etwas wackelig steige ich mit den Steigeisen höher. In den Platten finden die Spitzen der Eisen kaum halt. Der Wind ist fast unerträglich laut und die Kälte dringt unweigerlich in jede kleine Kleidungsöffnung ein. Doch das ist zurzeit nebensächlich. Ganz vorsichtig löse ich das zweite Eisgerät und versuche es ebenfalls im Riss zu verklemmen. In einem ungemütlichen Balanceakt hebe ich die Hand und zack … ich bin auf dem Weg ins Nichts. Das Sprichwort „Die Zeit vergeht wie im Flug" stimmt beim Klettern nicht. Besser passen würde „Im Flug vergeht die Zeit nicht". Annähernd im Gefühl zu schweben geht es nach unten. Doch schon strafft sich das Seil und auch der folgende Aufprall gegen die Wand ist sachter als erwartet. Einige Zeit im Seil hängend, realisiere ich, dass erstes Schlaghaken offensichtlich doch halten und zweites, dass man Eisgeräte im Sturz doch nicht fallen lässt. Mein Seilpartner hat natürlich auch gemerkt, dass etwas nicht nach Plan gelaufen ist. Er kriecht aus seiner halbwegs windgeschützten Nische und schaut ganz erstaunt zu mir herauf. Der Wind verhindert eine sinnvolle Kommunikation. Mit Handzeichen mache ich deutlich, dass alles okay ist und ich die Seillänge noch einmal probieren werde. Mein Partner zieht sich wieder in seine Nische zurück und ich gehe die Kletterei wieder an. Dieses Mal klappt alles und wir können auch die oberen Seillängen zum Ausstieg erfolgreich abschließen – genießen wäre aber wahrscheinlich der falsche Ausdruck.

Zwei Monate später; ähnliche Situation. Meine Eisgeräte sind wieder fixiert und ich befinde mich am scharfen Seilende. Wiederum sind wir von Kälte umgeben und die Sonne werden wir wahrscheinlich heute nicht mehr sehen. Im Unterschied zum Hochlantsch haben sich die Eishauen aber in einem Eisschild vergraben. Das Eis ist von der Kälte etwas spröde und hat relativ viele Schneeeinschlüsse. Trotzdem kann ich sagen, dass das Klettern genussvoll ist. Ich wuchte die Steigeisen in das spröde Eis. Große Eisschollen machen sich auf den Weg nach unten und landen im weichen Pulverschnee am Einstieg. Wie schon am Hochlantsch löse ich ein Eisgerät und … zack. Ein Fuß baumelt unerwartet im Leeren. Mein Körper schnellt nach links und in Gedanken bin ich wieder im Flugmodus. Doch dieses Mal habe ich Glück oder doch Können?! Der rechte Fuß und das andere Eisgerät verhindern ein Abtauchen in die Leere. Kurz durchatmen und schon geht es weiter Richtung Standplatz …

Solche oder ähnliche Geschichten kann jeder Kletterer erzählen. Manche Geschichten sind viel extremer, andere nicht so ganz. Die persönliche Empfindung solcher Erlebnisse ist aber wahrscheinlich immer sehr ähnlich. Jeden Falls habe ich mich etwas intensiver gefragt, was wohl die Anziehungskraft solcher Touren und Abenteuer ist. Eine gewisse Gefahr lässt sich ja nicht leugnen. Die Gefahr ist jeden Falls nicht meine Motivation. Ein Notrückzug mit Verletzung aus einer winterlichen Nordwand, ist nicht auf meiner Wunschliste. Die Antwort ist deshalb eine Andere: Es ist spannend die eigenen Grenzen zu finden. Wie weit kann ich gehen und was kann ich mir noch zutrauen ohne über das Limit zu gehen? Frei nach dem Motto: „Geht scho? – Geht scho!". Die Bestätigung oder auch der Misserfolg nach einer Planung ist das was ich suche.

Um ehrlich zu sein, werte ich deshalb die Hochlantsch-Geschichte als Misserfolg obwohl wir die Tour erfolgreich absolvieren konnten. Ein Sturz war nicht eingeplant. Trotzdem erinnere ich mich gerne daran – auch daran dass die Kälte und der Sturm zwar unerträglich waren, wir den Bedingungen aber gut gewachsen und letztlich die Tour abgeschlossen haben.

Natürlich ist das aber bei weitem nicht alles was Klettern und Bergsteigen ausmacht. Es muss nicht immer ein Grenzgang sein. Für mich ist es genau so schön, genussvoll in einer Plattenplaisierroute im schönen Herbstwetter oder sowie zur Zeit im Butterfirn oder sogar noch im Pulver unterwegs zu sein. Im Herbst oder an einem sonnigen Wintertag am SO Sporn im Grazer Bergland zu klettern ist sowieso unbeschreiblich ...

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Kommentare 1

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gelöschter User

am Montag, 26. März 2018 17:51

puh, so eine Kletterei im Gefrierfach wär' nix für mich, Hut ab für euer Erlebnis - umso besser wenn es alle unbeschadet überstehen! und wenn man Stürze nicht einplant....für was dann ein Seil?

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puh, so eine Kletterei im Gefrierfach wär' nix für mich, Hut ab für euer Erlebnis - umso besser wenn es alle unbeschadet überstehen! und wenn man Stürze nicht einplant....für was dann ein Seil? ;)