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4 Minuten Lesezeit (749 Wörter)

„Heiter bis wolkig. Vereinzelt kann es schneien“

meteo

Die Ältersemestrigen unter den Lesern kennen sie noch – die Wetterstation in der Via Segantini in Arco. Rot oder grün leuchtend war sie jahrzehntelang der Gradmesser für das Wohlbefinden der Kletterer im Arcourlaub.

Grün bedeutete – einkaufen von Magnesia bei Walter Gobbi, es wird heiß in Massone.

Rot bedeutete – Frustsaufen im il gatto Nero.

Manchmal irrte sich das blöde Ding auch und man wachte bewegungsunfähig unter stahlblauem Himmel auf. Mit pochendem Schädel nach Massone zu wanken war suboptimal und der Abhub vom Boden mehr als überschaubar.

Heutzutage hat man wettertechnisch ja alles griffbereit auf der App. Auf dem Regenradar ist klar ersichtlich, dass es in drei Minuten zu regnen aufhören wird oder dass es im dreihundert Meter entfernten Nebenmassiv schon trocken ist.

Aber wo bleibt hier das Abenteuer? Zu früheren Zeiten sind wir nach Gefühl in den Kletterurlaub gefahren. Geradewegs ins wettermäßige Unglück. Ich kann mich an zwei Wochen Buoux erinnern in denen es kaum einen Tag ohne Regen gab. Wir hatten glücklicherweise ein Hauszelt - Modell „Lignano" mit Gummiwanne unter den Schlafkojen. Nach eineinhalb Wochen Dauerregen waren wir die letzten Verbliebenen am Camping Les Cedres. Alle anderen hatten ihre klatschnassen Zelte und Schlafsäcke in ihre 2CV`s gestopft und waren auf Chance in andere Gebiete abgehauen. Ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben ob es dort besser wäre. Wir saßen weiterhin unverdrossen mit unseren Campingsesseln auf Holzpaletten und wärmten unsere klammen Finger am Gaskocher. Unter uns gluckerte der Bach der sich allmählich über den ganzen Platz zu einem See ausweitete. Abends stierten wir in der Kneipe völlig verständnislos auf den Fernseher. Wir verstanden kein Wort was uns die Dame bei „Meteo" erzählen wollte. Was wir jedoch verstanden waren die immergleichen Symbole. Regen, Regen, Regen. Dennoch – wir kletterten jeden Tag. Nach zehn Tagen hörte es tatsächlich einmal zu regnen auf und der beißende Nordwind verwandelte Les Cedres in einen Eislaufplatz.

In Lumignano überraschte uns einmal ein Wintereinbruch wie ihn die Region schon jahrelang nicht mehr erlebt hatte. Am Vortag hatten wir noch im T-Shirt die „Via Margherita" gepunktet und keine zwölf Stunden später schleppten wir unser Zeugs bei fünfundzwanzig Zentimetern Neuschnee zum Auto und tuckerten völlig frustriert nach Hause.

All das passiert heutzutage nicht mehr. Schon zwei Wochen vor Urlaubsantritt schielt man alle zwei Minuten auf`s Handy und checkt die 19 Tage Wetterlage. Laufend ändern sich die geplanten Destinationen. Gestern war es noch Ceüse. Heute ist es das Frankenjura. Oder doch Alpin? Die Dolomiten? Kaum hat man sich ein paar Topos im Internet runtergeladen, tauchen am Radar schon Blitz und Donner auf. So etwas könnte man gerade noch gebrauchen. Ein Wettersturz in der Comici! Abseilen bei diesen Rostgurken? Nein danke!

Früher wäre man sehenden Auges ins Unglück gerannt. Die schwarzen Wolken im Norden? Ach - sooo schlimm schauts ja echt nicht aus. Wird schon nicht regnen. Natürlich begann es zu regnen und ein weiterer Urlaub versank im monotonen Prasseln der Regentropfen auf das Autodach.

Mittlerweile hat sich all das gewandelt. Blindlings vertraut man dem elektronischen Besserwisser und selbst bei wolkenlosem Himmel checkt man vorsichtshalber ab wie es nun wirklich ist. Besser nicht einsteigen! Immerhin gibt's fünf Prozent Regenwahrscheinlichkeit und das noch dazu zwischen 13 und 15 Uhr. Da wäre man ja bereits in Gipfelnähe! Nicht auszudenken was passieren könnte!

Ich bin ja schon soweit, dass ich wettermäßig nichts und niemandem mehr traue. Kletterurlaube plane ich am liebsten dort wo es seit Jahren nicht mehr geregnet hat. Sicher ist sicher. „This is my only week of vacation and all I want to have is fun !"

Obwohl – letzten Mai ging es doch wieder einmal an den Gardasee. Ungeachtet der fünfprozentigen Regenwahrscheinlichkeit am vierten Tag, (da hätten wir ohnehin einen Ruhetag eingeplant), riskierten wir es und parkten unsere Karre nach sechsstündiger Autofahrt im Zentrum von Arco. Es war wie ein Nachhausekommen. Traumhaft. Die Luft war lau. Der Himmel wolkenlos. Noch bevor wir uns im Gastgarten vom Cafe Trentino niederließen, eilte ich in die Via Segantini. Kurz bevor ich die Wetterstation zu Gesicht bekam atmete ich noch einmal tief durch. Rot oder grün? Wenn jemand weiß, wie das Wetter werden wird, dann meine geliebte verhasste Station. Gleich werde auch ich es wissen. Ich drückte mir selbst beide Daumen und betete inständig für grün. Zaghaft schielte ich um die Ecke. Kein rot. Kein grün. Meine Wetterstation war seit meinem letzten Aufenthalt gegen ein digitales Wundermodell ersetzt worden.

Mercoledi - Regenwahrscheinlichkeit fünf Prozent - konnte ich nach intensivem Studium des Displays ermitteln. Ich war davon nicht so wirklich überzeugt. Ob ich dem neumodischen Ding trauen kann?

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