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5 Minuten Lesezeit (1036 Wörter)

Idole

Idole

„Sag mal" frage ich Fabio Leoni, den smarten Italiener, „kennst du eigentlich Heinz Mariacher?"

„Na klar" kommt dessen Antwort. „Er ist ein guter Freund von mir".

„Und? Klettert er immer noch?"

„Natürlich!" Fabio sieht mich erstaunt an. „Er ist fast täglich am Fels. 7c geht immer!"

Seit einigen Tagen begegnete ich Fabio immer wieder an den Massiven von Kalymnos. Oft standen wir beim Sichern nebeneinander und es dauerte nicht lange bis wir ins Gespräch kamen. Dass Fabio Besitzer einiger Kletterläden in Arco und Umgebung ist, erfuhr ich erst viel später.

Ich freute mich. Meinem Idol ging es offensichtlich gut. Meine Kletterwelt war in Ordnung.

Heutzutage gilt es ja als uncool ein Vorbild zu haben. Man gibt vor, sich nur an sich selbst zu orientieren, aber insgeheim hat wohl jeder von uns ein Idol.

Meines ist, unter uns gesagt, der seit langem in den Dolomiten lebende Tiroler Heinz Mariacher. Seit 1978, als ich das erste Mal von ihm in einer Kletterzeitschrift las, verkörpert er für mich die Faszination Klettern wie kein Zweiter. Die Zeitschrift damals hieß Alpinismus und der Artikel handelte von den kühnen, neuen Freikletterrouten an der Marmolada Südwand. Das Foto seiner Partnerin Luisa Iovane ist mir noch so in Erinnerung als hätte ich es erst vor wenigen Minuten angesehen. Sie lacht in die Kamera während sie völlig relaxed mit ihren EB`s auf der aalglatten Reibungsplatte steht. Der weiße Galibier Helm sitzt ein wenig schief auf ihrem Kopf. Dazu eine orangerote Hose. Zu Zeiten von Bergschuhen und Knickerbockern war dieses Foto der Inbegriff von Jugend und Freiheit. Und der Text dazu, von Heinz, überzeugte mich endgültig.

Seitdem gibt es kaum einen Artikel über ihn, den ich nicht gelesen hätte. Kaum ein Foto das ich nicht gesehen hätte. Stets schafft er es, genau das rüberzubringen was mich am Klettern so begeistert. In der Auswahl meines Idols hatte ich wohl ein glückliches Händchen.

Jetzt beim Schreiben dieser Zeilen nahm ich mir die Zeit um mein bisheriges Klettererleben noch einmal Revue passieren zu lassen. Welche Idole hatte ich denn eigentlich in all den Jahren? Gab es da Menschen die meinen Weg in der Senkrechten maßgeblich beeinflussten? Eiferte ich jemandem nach oder waren es doch immer nur Fotos, Artikel oder Bilder die ich mir von jemandem machte und die mich glauben ließen ich hätte ihn zum Vorbild?

Mein Fazit war - Es gab (und gibt immer noch) sehr wohl Vorbilder die meinen Weg in gewisse Richtungen lenken. Selbst für mich überraschend sind das meist aber keine der wirklich prominenten Persönlichkeiten (mit wenigen Ausnahmen - siehe oben), die ich nur aus Büchern und Magazinen kenne, sondern – es sind meine Freunde. Freunde mit denen ich meine Jugend verbrachte, mit denen ich Wochenende für Wochenende irgendwo zum Klettern unterwegs war und mit denen mich auch heute noch ebendiese tiefe, vertraute Freundschaft verbindet, als wäre die Zeit irgendwann stehengeblieben. Selbst wenn wir manchmal monatelang nichts voneinander hören, so ist doch nach wenigen Worten alles wieder so wie immer. Bei jedem von ihnen gibt es etwas, was ich auch hinkriegen möchte, was mich begeistert und antreibt. Die Zielstrebigkeit vom Einen. Der Pioniergeist vom Anderen. Ich habe Freunde die mich mit ihrer Gelassenheit faszinieren. Mit ihrer Souveränität in so vielen Bereichen des Lebens. Freunde die trotz körperlicher Handicaps weiterhin mit voller Begeisterung zum Klettern gehen auch wenn ihr Niveau nur mehr ein Bruchteil von dem vergangener Zeiten ist. Ich lasse mich anstecken von ihrem Spirit und ihrer Energie und manchmal profitiere ich auch von Schubsern mit denen sie mich dazu bewegen, meinen inneren Schweinehund zu überwinden und den Arsch hochzukriegen. Wie viele Routen wäre ich nicht geklettert hätten sie mich nicht ermutigt es zu versuchen? Wieviele Routen wären nicht gelungen hätten sie nicht vorgelegt und mich dadurch in Zugzwang gebracht?

Manchmal bin ich von ihren Kochkünsten auf unseren Reisen fast noch mehr beeindruckt als von ihrem Kletterniveau. (welches oft genug richtig hoch ist). Der eine klettert auch dann noch am Limit wenn er schon weit über dem letzten Haken steht und denkt nicht ans Aufgeben. Der andere lässt sich auch von schlechten Verhältnissen nicht beeindrucken und steigt in Routen ein, in denen das Wasser an den Sintern nur so runterläuft und ich selbst,von mir aus, nie einen Gedanken daran verschwenden würde, hier einen Versuch zu starten.

Und nicht nur in meiner Generation finde ich Vorbilder. Auch bei den young guns sehe ich immer wieder etwas, das mich fasziniert und zum Nachdenken anregt. Manchmal ertappe ich mich beim Duell in einer Boulderhalle mit Jungs und Mädels die beinahe schon meine Enkel sein könnten und freue mich, wenn wir gemeinsam an den moves feilen. Selbst bei diesen Jungen kann ich mir verdammt viel abschauen und sei es nur ihre Unbekümmertheit die mir auf dem Weg ins Erwachsenenalter doch etwas abhanden gekommen ist.

Und was ist mit den Älteren? Die, die in ihrer Pension durch die Klettergebiete reisen und fast täglich am Fels anzutreffen sind? Auch wenn ihre Knochen und Gelenke knirschen und knarren und sie in der Frühe nach einem geilen Klettertag kaum aus dem Bett kommen, so sind sie beim ersten Sonnenstrahl doch wieder an der Wand und fighten als gäbe es kein Morgen. Der Verbrauch von Arnikaschnaps zum Einreiben ist beinahe noch größer als der Chalkbedarf aber trotzdem sind die Männer noch richtig fit und lassen einfach nicht nach. Wie oft hänge ich an ihren Lippen und höre mir begeistert die Geschichten an, die sie beim abendlichen Bier zum Besten geben. Das sind richtige Heroes für mich, auch wenn sie in all den Jahren nie in der alpinen Presse aufgetaucht sind.

Leuten, die in der alpinen Presse permanent vertreten waren und immer noch sind, bin ich zuhauf begegnet. Ich hatte das Glück Wolfgang Güllich im südlichen Frankenjura persönlich zu begegnen. Mit Stefan Glowacz konnte ich mich im Val San Nicolo unterhalten und sogar Chris Sharma schüttelte ich die Hand. Helden von Weltruf die außer ihrem überragenden Kletterkönnen noch ein weiteres gemeinsames Merkmal an den Tag legen. Sie alle sind unglaublich sympathisch. Richtige Vorbilder eben.

Meinem prominenten Idol jedoch bin ich noch nie begegnet. Kürzlich schrieb ich Heinz ein mail mit der Bitte, mir ein Foto von ihm zu schicken das ich schon lange suche. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Nun hängt das Foto in meinem Hausflur. Es beinhaltet alles was mich am Klettern so fasziniert…

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Kommentare 2

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Michael Gattol

am Sonntag, 29. Januar 2017 17:20

lässiger blog horst

ich bin weder einer von den young guns noch gehöre ich zum alten eisen - mitten drinnen halt ... die dosage filme waren das was bei dir horst die zeitschriften wohl ausgelöst haben - pure begeisterung

meine vorbilder haben eigentlich auch immer gewechselt ... es ging meist weniger um die person sondern mehr in welchen gebieten der oder diejenige unterwegs war und neue gebiete erschlossen wurden.
was mir im kletteralltag immer wieder imponiert sind diejenigen kletterer welche eine weiche und dynamische kletterei an den fels bringen - da macht das zusehen auch schon viel spaß.

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lässiger blog horst :) ich bin weder einer von den young guns noch gehöre ich zum alten eisen - mitten drinnen halt :p ... die dosage filme waren das was bei dir horst die zeitschriften wohl ausgelöst haben - pure begeisterung :o meine vorbilder haben eigentlich auch immer gewechselt ... es ging meist weniger um die person sondern mehr in welchen gebieten der oder diejenige unterwegs war und neue gebiete erschlossen wurden. was mir im kletteralltag immer wieder imponiert sind diejenigen kletterer welche eine weiche und dynamische kletterei an den fels bringen - da macht das zusehen auch schon viel spaß.

Thomas Weghofer

am Samstag, 03. Februar 2018 02:48

Hm, großartig, einfach großartig.

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Hm, großartig, einfach großartig.