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3 Minuten Lesezeit (682 Wörter)

„Kaffeetrinken ist integraler Bestandteil des Kletterns“

cafe

Hias dozierte. Am vollbesetzten Tisch, im gemütlichen Cafe Bärenschütz, war er in seinem Element und erklärte der versammelten Mannschaft wie man den Zeitgeist richtig klettert. So nämlich, dass keine einzige Stelle den siebten Grad überschreitet. Penibelst genau erklärte er uns anhand verschiedener, am Tisch liegender, Gegenstände die jeweiligen Griffe und wie man die Finger dort am besten einsortierte. Vermutlich positionierte er seine Füße unter dem Tisch auch noch millimetergenau, aber das konnten wir nicht sehen. Es gab von uns sogar einmal die Idee, ihm zum Geburtstag eine ganze Reihe verschieden breiter Holzstückchen, aufgereiht auf einer Reepschnur, zu schenken um ihm damit die Suche nach geeigneten Gegenständen, die seine Griffe symbolisieren sollten, zu erleichtern.

Wir alle kannten Hias und seine (manchmal) schulmeisternde Art nur zu gut und wir wussten auch, dass er fast immer Recht hatte. Oftmals waren seine Ideen, wie man die eine oder andere Crux am kraftsparendsten klettern konnte, der Schlüssel zu unseren eigenen Erfolgen. Deshalb ließen wir das Schauspiel belustigt aber doch aufmerksam über uns ergehen.

Hias näherte sich virtuell der Schlüsselstelle im unteren Teil des Zeitgeists. Er kletterte dabei die sogenannte Leitinger Variante über links und nachdem er den Doppelschnapper mit der linken Hand hinter sich gebracht hatte, atmete er noch einmal tief durch. Am Tisch war es mucksmäuschenstill. Alle, die jemals die Züge in der Route probiert hatten wussten, dass nun ein brachialer Dynamo folgen würde. Die arme Kellnerin aber, die mit vollbeladenem Tablett geduldig wartend hinter ihm stand, wusste es nicht…

„Krach!" Hias fuhr mit dem rechten Arm aus und das Tablett flog mitsamt der Gläser quer durch den Raum. Die Kellnerin kreischte entsetzt und wir bogen uns am Tisch vor Lachen und hielten uns vor Vergnügen den Bauch.

Alle hatten gewusst, dass der Dynamo kommen würde und wir hatten nur mehr darauf gewartet bis Hias das Tablett abräumen würde. Wir waren echt feine Freunde. 

Die Arena und das Cafe Bärenschütz waren in den Achtziger Jahren untrennbar miteinander verbunden. Mindestens zweimal an einem Klettertag ließen wir das Seil einfach in der projektierten Route hängen und liefen die kurze Strecke talauswärts, um ein Kaffeetscherl zu trinken. Wenn wir Glück hatten bekamen wir von Carmen,der Wirtin, sogar ein Linzerradl gratis dazu. Die abendliche Einkehr war ohnehin Pflichtprogramm und am herrlichsten fand ich die Zeit im Spätherbst als wir, dick eingemümmelt in unsere Daunenjacken, auf der Veranda sitzen konnten. Oft war es bereits stockfinster und nur der flackernde Kerzenschein erhellte die Szenerie. Irgendjemand hatte immer geniale Geschichten zu erzählen. Jedesmal wenn ich an unsere Kletterzeit vor mehr als dreißig Jahren zurückdenke, denke ich auch an diese Abende.

Der Tisch auf der Veranda war für Arenakletterer reserviert. Hier hatte man alles im Blick. Von diesem Tisch aus sahen wir, wer ins Tal ging und wer abends wieder herauskam. Hier erfuhr man aus erster Hand wer, was und wo geklettert hatte. Hier fanden unsere Siegesfeiern statt. Es war Brauch, den Durchstieg einer schweren Route mit den Freunden zu feiern und mindestens eine Runde Getränke zu spendieren. Manchmal, wenn so gar nichts gelingen wollte, musste man den Anspruch an den Erfolg halt ein wenig hinunterschrauben. Die Runde wurde jedenfalls immer von irgendjemandem bezahlt. Meistens wurden es mehrere Runden und der Abend endete oft mit epischen Duellen am Tischfußballautomaten oder am Nagelstock.

Das zweite Cafe, welches in der Geschichte des steirischen Sportkletterns eine entscheidende Rolle spielte, war das Cafe Materleitner in Gratkorn. Hier waren es Christoph Grill und Thomas Hrovat die nach ihren Versuchen im Zigeunerloch mit den Kumpels einkehrten und beim Kaffeetrinken die lustigsten Geschichten zum Besten gaben. Wahrscheinlich wurde in diesem Cafe sogar die Idee zu einer der genialsten Geschichten des Sportkletterns geboren. Die Story von Thomas, in der er über die Erstbegehung des Zigeunerbarons erzählt, ist ganz großes Kino. Ich liebe sie.

Das Cafe Materleitner gibt es schon seit vielen Jahren nicht mehr und nachdem auch das Cafe Bärenschütz jahrelang geschlossen war, verlagerte sich die Kletterszene der Arena auf die gegenüberliegende Straßenseite zum Hubert. Nun haben wir dort unseren Tisch, von dem aus man alles im Blick hat. Die Runden nach einem gelungenen Klettertag werden jetzt bei ihm geschmissen und dabei erzählen wir einander, wie zu alten Zeiten, die unglaublichsten Geschichten. Und abends, wenn sich die Dunkelheit über das Bärenschütztal legt, sitzen wir da, eingemümmelt in Daunenjacken und schlürfen im flackernden Kerzenschein unseren Kaffee.

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