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4 Minuten Lesezeit (756 Wörter)

Männerhort Arco

DSC_0475 photo credit: Horst Jobstraibitzer

Als ich an einem brütend  heißen Augusttag 1984 im Zentrum von Arco aus dem Bus klettere, ahne ich noch nicht, welche Rolle dieser Ort noch in meinem Leben einnehmen wird. Ich bin mit einem Klassenkameraden auf Maturareise. Einen Monat lang sind wir gemeinsam kreuz und quer durch Italien unterwegs und nun schleppen wir unsere Tramperrucksäcke schwitzend am Fuße des Colodri entlang in Richtung Camping Zoo. 

Kletterer? Fehlanzeige!

Biker? Doppelte Fehlanzeige!

Am Campingplatz stehen nur einige, wenige Zelte und hier treffe ich endlich auf Kletterer. Zwei von ihnen kenne ich. Peter Schäffler aus Vorarlberg und den Wiener Alfred "Horror Alfi" Fachet. Während Peter gerade die Toproute "La Signora degli Appigli" (7c) unten am See projektiert, geht es Alfi etwas gemütlicher an und wird mein Partner bei meinen ersten Routen am Nordufer des Gardasees.

Seither bin ich viele Male in Arco gewesen und als ich mich kürzlich beim deutschen Spielfilm "Männerhort" köstlichst amüsiere, dämmert mir, was dieser Ort für mich ist - Mein persönlicher Männerhort. 

In Zeiten von Lockdown und Ausgangsbeschränkungen ist Arco für mich ein Wunschtraum. 

Da muss ein Ersatzmännerhort her!

Koste was es wolle!

Das weiß auch mein Arbeitskollege, der zwar mit Klettern nix am Hut hat aber der mittlerweile auch dringendst einen Zufluchtsort sucht, der ihn wieder ein bisschen zu sich selbst finden lässt.

Wir stehen im Büro beim Kaffeeautomaten und philosophieren. Ich erzähle ihm, dass ich am Vorabend eine richtig gute Trainingseinheit an meinem Kletterbalken im Keller hatte. 

Mein Gegenüber spitzt die Ohren.

"Keller?"

"Ja. Leider eher eine Rumpelkammer. Dabei könnte man aus dem Raum echt was machen."

Von sowas träumt auch mein Kollege. Ein eigenes Reich nur für sich selbst. 

Ich würde mir eine Kletterwand reinbauen. Er denkt an einen Billardtisch.

Beim Thema Kühlschrank sind wir uns einig. So ein richtig fettes Ding. Doppelflügelig. Mit Eiswürfelspender. Vollgestopft mit den köstlichsten Sachen. Vor allem aber mit Bier. Dann kann man auch die Kumpels auf einen gemütlichen Abend einladen.

Ich bräuchte noch eine Couch und Platz für meine Yogaeinheiten. 

Mein Kraxlboard und meine Ringe müsste ich ein wenig Versetzen sonst habe ich keinen optimalen Blick auf die Videowall.

Er bräuchte sie für Playstation und XBox, während bei mir Kletter- und Musikvideos in einer Endlosschleife laufen würden. 

Dann natürlich die Soundanlage. Richtig große Boxen . Im Geiste sehe ich mich bereits zu den Glockenschlägen von Hells Bells anreißen. AC/DC muss sein. Da führt kein Weg vorbei.

Meinen Trainingserfolg würde ich nicht nur am Laptop eintragen, sondern auch optisch an der Spiegelwand beäugen können.

Langsam wird es eng in der Bude. 

Aber der Kollege hat recht. Eine XBox wäre schon auch richtig cool. 

Er träumt mittlerweile von einem Laufband oder zumindest von einem richtig geilen Hometrainer. Das wär natürlich auch was!

Die Rasttage könnte ich dazu verwenden um meine Kondition aufzupeppen. Die Tour de France nachstrampeln. Mit direktem Blick zu Mark Cavendish auf der Videowall in dessen Windschatten ich die Etappe nach Alpe d´Huez hochheize. Im Frühling werde ich mit dieser Fitness meine Kumpels auf den steilen Zustiegen in Arco sowas von abhängen. 

Arco - schon wieder Arco. 

Ich erzähle meinem Kollegen von vergangenen Zeiten. 

Damals als es die Kletterpatschen meiner Begierde nur in einem einzigen Laden zu erstehen gab - Gobbi Sport war Mitte der achtziger Jahre unser Shopping Paradies schlechthin. Der einzige Kletterladen im verträumten Örtchen nördlich des Gardasees. Und er hatte alles, wovon man Zuhause monatelang träumte. Schuhe, Seile, die geilsten italienischen Kletterklamotten, darunter die La Sportiva Trägershirts mit dem Halbmond - in Violett und in Gelb.

Das Cafe Trentino war damals schon der Kult Treffpunkt für Cappuccino und Croissant. Hier saßen die Klettergötter, die man nur aus Zeitschriften kannte. Hier begegnete man Stefan Glowazc und Kurt Albert, Hanspeter Eisendle und Michael Wolf.

Und obwohl sich im Laufe der Jahre vieles (um nicht zu sagen fast alles) geändert hat, ist mein Herz in Arco hängengeblieben. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass meine Familie väterlicherseits aus dem Val del Fersina stammt, kaum 50 Autominuten entfernt und ich deshalb eine so starke emotionale Bindung an diese Landschaft hier habe.

Die Kaffeepause ist längst zu Ende, da erzähle ich meinem Kollegen noch rasch davon, dass es mit dem Ankauf der Schuhe und Seile noch längst nicht getan war und uns noch das Schmuggeln durch den Zoll bevorstand. Erst wenn wir traditionell in Lienz bei unserem Lieblingsbrathähnchenstand einkehrten ( auch Teil unseres Männerhortes) konnten wir sicher sein, dass die erworbenen Teile wirklich uns gehörten.

Immer noch im Erzählen, läutet plötzlich mein Handy. 

Christian, seit 35 Jahren mein Kletterpartner, ist dran

"Du", sagt er. "Ich habe grad nachgeschaut. L Àquila ist frei. Ende Mai? Eine Woche?. Am besten wir reservieren gleich!"

Mein Herz macht einen Freudensprung. Eine Woche Arco!

"Ich bin dabei!"





 

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