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4 Minuten Lesezeit (842 Wörter)

Matthias (Hias) Leitner. 15.09.59 – 18.08.2011

Arena1004-214 Hias in Juppi´s Traum (7c) Arena, photo credit: Horst Jobstraibitzer

Vor wenigen Tagen jährte sich der Todestag von Hias Leitner zum achten Mal.

Vor acht Jahren stürzte Hias beim Paragleiten am Mount Rodica in den Julischen Alpen tödlich ab. Unbegreiflich für alle, die seine Vorsicht kannten, seinen Hang zum Perfektionismus und sein Faible, Unwägbarkeiten lieber dreimal auf Herz und Nieren zu prüfen, als voreilig einen Fehler zu machen.

Hias gehörte zu den Sportkletterern der ersten Stunde. Ab 1979, als er zum ersten Mal das Yosemite Valley besuchte, gehörte er zu den treibenden Kräften in der Fischerwand, im Hochschwab und im Grazer Bergland. Waren es zu Beginn noch erste freie Begehungen von ehemaligen Technorouten, so begann er ab 1981 selbst Neutouren zu erschließen.

Hias gehörte mit Robert Kerneza, Christoph Grill und Thomas Hrovat zur Kerngruppe der Arena Erschließer.

Der „Sandlerkönig" (8a+) in der Arena war seine schwerste Route.

Der „Zeitgeist" (8a) seine Schönste.

Dazu gesellten sich eine ganze Reihe von Erstbegehungen:

„Dunadan" 8a und „Elektrischer Specht" 7c+ in der Hundswand, „Aids" 8a und „Missing Link" 7c+ in der Fischerwand, „Petaurus Breviceps" 7c+ in der hinteren Arena, um nur einige zu nennen.

Hias kannte alle in der Kletterszene – und alle kannten Hias. Selbst Wolfgang Güllich, den er im Yosemite Valley kennenlernte, hielt große Stücke von ihm. Und Alexander Huber band sich mit ihm immer wieder gerne ins Seil, um die eine oder andere lässige Route zu klettern.

Alle aber, die den Hias kannten, wissen, dass er keiner Diskussion aus dem Wege ging. Wenn er von einer Sache überzeugt war, wich er keinen Millimeter von seinem Standpunkt ab. Das konnte schon mal zu Streitereien ausufern bis sprichwörtlich die Fetzen flogen. So manche Freundschaft ist an seiner Sturheit zerbrochen. Meistens aber schien nach dem Gewitter rasch wieder die Sonne und nach einer, bis ans Messer geführten Auseinandersetzung, ging man mit dem Hias schon am nächsten Tag wieder zum Klettern und man schmiedete wieder gemeinsame Pläne.

Freunde und Familie verabschiedeten sich vom Hias im September 2011 auf der Lichtung hinter dem Gasthof Bodenbauer, inmitten seiner geliebten Berge und nah an der Hundswand, der er mit seinen Routen einen entscheidenden und für immer bleibenden Stempel aufdrückte.

Nie werde ich die Geschichte vergessen, die Thomas Hrovat damals zum Abschied für seinen verunglückten Freund geschrieben hat und die ihn genauso in unseren Herzen weiterleben lässt, wie er wirklich war:

Als ich es erfahren habe, hatte ich sofort dieses Bild vor Augen:

Du in deiner roten Kletterhose und dem viel zu weiten Wollpulover. Auge in Auge und nur wenige Zentimeter entfernt von diesem 150 Kilo schweren von oben bis unten tätowierten Hells Angel.

Es war in irgendeiner Bar in Amerika in der wir Billard spielen wollten. Gerade als du das Geld eingeworfen hattest, tauchten diese 4 oder 5 Jungs auf. In Leder, tätowiert, betrunken und viel, viel stärker als wir...

Das ist unser Tisch! Hat der eine gesagt

Ich war schon am Weggehen, denn diese Stimme duldete keine Widerrede.

Und was sagst du: Aber jetzt spielen wir da

Dann wieder der Hells Angel: Nein. Ihr könnt am Nebentisch spielen.

Und wieder Du: Nein wir waren zuerst da

(und ich dazwischen immer: Hias BITTE lass uns gehen!)

Und Du wieder: sicher nicht

(Hias BITTE)

Mir wird immer mulmiger und mulmiger. Du wirst immer entschlossener und entschlossener. Die Jungs immer unangenehmer und unangenehmer.

Als die Anspannung unerträglich wird tritt einer hervor, stellt sich ganz knapp vor dich hin und sagt:

Passt schon. Wir wollten euch nur etwas Angst einjagen.

Mir fällt ein Stein vom Herzen, bin froh, dass wir irgendwie aus dieser Situation rauskommen.

Und du, was machst du?

Du verringerst den Abstand sogar noch, beugst dich vor und sagst:

Aber ich habe keine Angst vor euch!

Du Auge in Auge mit diesem Hells Angel. Warum ausgerechnet dieses Bild? Vielleicht weil es so viel über dich aussagt, so wie ich dich erlebt habe. In deiner Sturheit in deinem Mut.

Wir konnten stundenlang über so weltbewegende Dinge diskutieren wie: Ist es besser den dritten Haken vom Zeitgeist vom Piazgriff aus oder von der Leiste darüber einzuhängen? Was ist schwieriger: Zeitgeist oder Train and Terror? Wer macht die besseren Objektive Leica oder Nikon? Natürlich sind wir keinen Millimeter von unseren Meinungen abgerückt. Aber auch wenn es hochemotional wurde: Du warst nie nachtragend.

Ich werde dich auch als Träumer in Erinnerung behalten. Da gab es immer irgendein Projekt, einen Traum, den du dir verwirklichen wolltest und von dem du stundenlang bis ins kleinste Detail schwärmen konntest.

Ich habe nie verstanden, wie du es geschafft hast so sehr zu träumen und soviele dieser Träume zu verwirklichen und gleichzeitig so sehr mit beiden Beinen am Boden zu stehen. Während wir Anderen Jahre (fast Jahrzehnte) in der Arena, in Südfrankreich, im Frankenjura „studiert haben" und vom Notstand oder unseren Eltern gelebt haben, hast du die ganze Zeit über gearbeitet und Verantwortung übernommen. Kathi, Steffi, Lena, Sebastian.

Es sind so viele Augenblicke so viele kleine und große Bilder, die mir kommen, wenn ich an dich denke. Und da wird mir bewußt um wievieles lebendiger mein eigenes Leben geworden ist, weil ich dich kennen durfte. 

Text: Thomas Hrovat

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