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4 Minuten Lesezeit (711 Wörter)

Osterwunder

ostern

Man muss nur lange genug klettern, um auch über Klettern und Ostern einige nette Geschichten erzählen zu können.

Was fällt mir zu Klettern und Ostern ein? Meine allerallererste Klettertour führte mich am Karfreitag 1985 über den Ratengrat Normalweg und die Alte Südwestwand auf den Gipfel des Röthelsteins, In der Weißen Wand bohrte ich die Routen im Mittelteil mit Dialektnamen an einem Ostersonntag bei starken Schneefall ein. Es sind nicht meine besten Werke geworden. In den darauffolgenden Jahren stand zu Ostern meist ein Kärntenaufenthalt mit Schwerpunkt Warmbad am Programm. Ich erinnere mich, dass ich die verdammte Zwucki-Muh probierte, ein Kärntner Local vorbeispazierte, mir zuschaute und ganz charmant meinte, dass ich zuerst einmal klettern lernen sollte, bevor ich in eine 8b einsteige. Ich möchte ihm an dieser Stelle ausrichten lassen, dass ich es in der Zwischenzeit so halbwegs gerafft habe, aber dass die Zwucki-Muh noch immer offen ist.

Irgendwann lernt man eine nette Kletterin kenne, irgendwann kommen dann auch die Kinderleins auf die Welt und das Kletterverhalten muss dementsprechend angepasst werden. Nachdem ein Stein fast im Basislager detonierte, die Kinder blutüberströmt kreischten, weil die eine den anderen über einen Stein geschubst hat, während ich gerade 2 Meter überm Haken weder vor noch zurück konnte, hängten wir das Seil an den Kletternagel und widmeten uns der Boulderei. Anfangs war es noch einfach: im Mai und im September ging es nach Fontainebleau, den -meiner Meinung nach- einzigen Ort, wo eine ganze Familie entspannt klettern kann. Mit der Schulpflicht wurde es dann schwieriger und übrig blieben für den Boulderurlaub – erraten- die Osterferien. Hier nähern wir uns bereits dem ersten Osterwunder. Jedesmal mussten wir dem Klassenlehrer mitteilen, dass es Probleme bei der Rückreise gäbe, und wir noch ein paar Tage anhängen müssten, dass wir aber "überraschenderweise" das Quartier noch länger verfügbar ist. Wir erhielten dann eine höfliche Antwort, dass er verstünde und dass er wisse, dass wir wissen, dass er wisse, dass – aber kein Problem.

An einem Ostersonntag spazierten wir ein paar Kilometer in den Trois Pignons zum Bouldergebiet Rocher Fin. Die Stimmung und das Sprachengewirr waren dort wie in Berlin am Alexanderplatz, ich bin aber puncto Einsamkeit, Routenanzahl und Qualität sehr anspruchslos geworden, sodass es ein sehr schöner Klettertag wurde. Am Nachhauseweg musste P. in die Büsche, zweigte vom Weg ab und fand ein Handy. Wir wollten es in Betrieb nehmen, um Mama oder Papa anzurufen und mitzuteilen, dass wir das Handy gefunden hätten und eine Übergabe organisieren wollten. Der Strom im Akku reichte aber nur mehr, dass der Bildschirm kurz aufblinkte und uns ein Pärchen mit Hund zeigte. Dann war Schluss.

Zwei Tage später waren wir in Canche en Merciers. Ich kletterte Longue Marche, als ein Pärchen mit Hund um die Ecke bog und Petra zu mir meinte, dass das die beiden vom Handy wären. Mit meiner Gesichtserkennungssoftware hätte ich die zwei nie erkannt, aber sie waren es, und wir konnten ein Waisenhandy seinen glücklichen Eltern übergeben.

Das hier anwesende Fachpublikum wird mir beipflichten, wenn ich sage, dass man es unter allen Umständen vermeiden sollte, beim Klinken vom dritten Haken runterzufallen. Vielleicht verirrt sich ein Kletterfachmann an die Basis des Kugelsteins und untersucht das Absprunggelände unter der Route Pinacolada und er wird feststellen, dass es nicht gut aussieht. Es gibt im darunterliegenden Blockfeld aber einen Stein mit einer ebenen Fläche von 20 cm x 20 cm. Ich habe Pinacolada nie gemocht, aber der Vollständigkeit halber und weil ich mir nicht nachsagen lassen wollte, dass ich eine lausige 7c nicht raufkommen würde, stieg ich an einem Karfreitag (1992?) ein. Aus den einleitenden Worten dürfte schon klar sein, was dann geschah: Das Seil bis zum Anschlag ausgezogen rutschte ich beim dritten Haken vom Griff und stand eine Sekunde später fünf Meter tiefer auf eben diesem kleinen Absatz. Punktlandung, würde ich sagen!

Ihr könnte mir glauben: diesem Osterwunder gedenke ich an jedem Karfreitag.


P.S. Zum Titelbild: Ostereiersuchen in Fontainebleau.

P.P.S. Heuriges Osterwunder: Man kann die Route Trotzdem am Waldspielplatz so klettern, dass sie eine echt schöne und sauschwierige Boulderroute (>7b denke ich) wird.

P.P.P.S. Zu meinem Blog "Endlich wieder da!" begehrt HPZ folgenden Nachtrag: Erstens ist in Toulouse einem anderen Slowenen das Element ausgebrochen und zweitens kommt es doch auf die Größe an und er schaut sich in der Badewanne die Boulderwettkämpfe an einem richtigen Monitor an.


 

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