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3 Minuten Lesezeit (657 Wörter)

R.E.D. – (retired extremely dangerous)

RED2 - Coverimage Copyright by Summit Entertainment

„Ich bin heuer schon das dritte Mal hier auf der Insel" erzählt mir Peter aus Nottingham, Vor wenigen Minuten hat er sich zu uns an den Tisch in der Bar Fatolitis gesetzt und nun plaudert er munter drauflos. Dass er gerade erst drei Wochen in den großen Eiswänden von Chamonix zubrachte und dass er, sobald Zuhause, nach Wales gehen würde. Zum Trad klettern. Jetzt aber würde er den Kalk von Kalymnos einmal so richtig genießen.

Auf meine Frage hin was er denn beruflich so mache, sieht mich Peter erstaunt an.

„I´m retired" sagt er. I´m 63".

Wowww ich bin verblüfft. Der Junge hat sich richtig gut gehalten. Mit seinen 63 Jahren macht er in einem Jahr mehr als andere in ihrem ganzen Leben.

Mir gibt diese Begegnung einen richtigen Motivationsschub. Auch wenn ich zum Glück doch noch um einiges jünger bin und von Pensionierung noch keine Rede sein kann. Innerlich fühle ich mich tatsächlich noch jung. Und äußerlich bemühe ich mich diesen Eindruck, so gut es geht, zu vermitteln.

Obwohl mir das nicht immer so gelingt wie ich das gerne hätte. Kürzlich fragte mich im Bloc House doch tatsächlich einer der young guns was ich denn beruflich so gemacht habe. Damals, bevor ich pensioniert wurde. Diese Frage versetzte mir, unter uns gesagt, einen ordentlichen Stich. Vermittle ich wirklich den Eindruck eines Rentners? Bewege ich mich wirklich wie ein Greis in der Senkrechten? Ungelenk? Ungeschickt? Ohne jegliche Dynamik, die wenigstens ein kleines bisschen meines jugendlich gebliebenen Herzens optisch an die Oberfläche spülen würde?

Na warte Bürschchen! Welches Projekt hast du gerade? Diesen Boulder da? Den, mit den schwarzen Griffen?

Ich flashe das Ding und lasse mir dabei nicht anmerken dass ich am letzten Zacken unterwegs bin. Wieder unten, wische ich mir meine langen, grauen Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuche cool dreinzuschauen. „Gar nicht so einfach" sage ich zu ihm. „Vor allem die Zweifingerleiste ist nicht so leicht zu halten".

Dass mir besagte Leiste beinahe die Finger gebrochen hatte, verschweige ich tunlichst.

Letztlich aber hat er Recht. Zur Pension ist`s wirklich nicht mehr allzuweit und man macht sich natürlich seine Gedanken. Werde ich mich dann noch bei guter Gesundheit befinden? Kann ich mir dann, so wie Peter, jede Menge Kletterziele innerhalb eines Jahres erfüllen?

Von Freunden weiß ich, dass es den Pensionsschock geben wird. Auch wenn man sich die ganze Zeit nichts sehnlicher wünscht, als frei zu sein von allen beruflichen Zwängen und endlich das tun zu können was man am liebsten macht. Nämlich zu klettern. Und das am besten jeden Tag. Der Tag an dem es dann so weit ist, wird ausgefüllt sein mit dem Wissen, dass es jetzt in die Zielgerade des Lebens geht. Ich kenne niemanden dem das nicht nahe ging. Erst wenn ein paar Tage später der nagelneue Bus vor der Tür steht, bar wegbezahlt mit der Abfindung, sind diese trüben Gedanken verschwunden. Wo geht es hin? Spanien? Sardinien? Leonidio oder doch Norwegen? Ganz egal. Wir haben alle Zeit der Welt.

„Älter-härter-besser" oder „Retired-extremely-dangerous"! Ich liebe diesen Kino Kassenschlager in dem Helen Mirren, John Malcovich, Morgan Freeman und Bruce Willis als die härteste Rentnergang der Welt noch einmal aufzeigen wo der Bartl den Most herholt und ich fühle mich ihnen sehr verbunden. Und damit bin ich wohl nicht allein.

Meine Brieffreundin Irmgard zum Beispiel ist sechsundsechzig. Für 2018 hat sie sich als Ziel gesetzt, einen Neuner zu klettern. Persönlich haben wir uns noch gar nicht kennengelernt. Aber wir schreiben einander regelmäßig. Ich lese ihre Kletterkrimis. Sie liest meine Geschichten. Interessanterweise klettern wir, völlig unabhängig voneinander, bei unseren Arcoaufenthalten oft diesselben Routen.

Irmgard ist fit. Unglaublich fit und ich zweifle keine Sekunde daran, dass sie ihr hochgestecktes Ziel nicht erreichen könnte. Mit der Erfahrung von jahrzehntelangem Klettern wird sie mit sicherem Instinkt das richtige Ziel für dieses Vorhaben auswählen. Eine Route die ihr vom Kletterstil her entgegenkommt. Eine, die einen klingenden Namen hat. Ich bin schon gespannt darauf, was sie machen wird und ich wünsche ihr alles Gute.

Zeit hat sie ja genug.

Irmgard ist retired – und extremely dangerous!

 

Kommentare 1

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gelöschter User

am Sonntag, 24. Dezember 2017 11:04

genial horst!
sobald ich wieder hergestellt bin werde ich auch wieder mit dem training beginnen - was hastn vor 2018?

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genial horst! sobald ich wieder hergestellt bin werde ich auch wieder mit dem training beginnen - was hastn vor 2018?