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3 Minuten Lesezeit (577 Wörter)

Ratengrat – ein Erlebnis von Tom Richter

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Ich durfte Tom Richter im März 1980 kennenlernen, kurz bevor er ins Yosemite Valley aufbrach und mit „Nose", „Salathe Wall" und „Half Dome Regular" die damals begehrtesten Bigwalls dort durchsteigen konnte. Über all die Jahre hat sich unser Kontakt nie verloren und kürzlich war ich bei ihm Zuhause in Dörflach zu einem Gläschen roten Veltliner eingeladen. Wir plauderten über dies und das. Über vergangene Zeiten und über moderne Zeiten. Zum Abschied drückte er mir handgeschriebene Notizen zum Thema „Sanieren von Kletterrouten" in die Hand und unter diesen Aufzeichnungen fand ich auch diese Geschichte von ihm.

Ratengrat – „Gratkante" – 1.5.1970

Gratkante1
 
4.2 (1)

Mein Bruder war erst dreizehn als er mit mir, dem „erfahrenen" vierzehnjährigen Bruder zum größten Kletterabenteuer seines, noch jungen, Lebens aufbrach. Ich hatte im Herbst, vor einem halben Jahr also, mit dem Felsklettern begonnen und war seitdem den ganzen Winter über jede freie Minute im Grazer Klettergarten Weinzödl anzutreffen.

Unser Routenziel war schon seit langem klar. Endlich wollten wir die „Kante" am Ratengrat bei Mixnitz als selbständige Seilschaft „gehen". Mit mir als Vorsteiger. Bewertet war die Gratkante damals mit dem 4. Grad. (mittlerweile gilt sie als solider Fünfer). Alle einfacheren Routen am Ratengrat konnten wir beide bereits ohne Probleme klettern und im Nachstieg war ich auch schon in wesentlich schwierigeren Wegen unterwegs gewesen.

Die erste Seillänge, senkrecht hinauf zum „Salatplatz", liegt morgens immer im Schatten. Der Salatplatz hat seinen Namen vom Seilsalat erhalten, der entsteht, wenn Begeher verschiedener Routen an diesem Standplatz aufeinandertreffen. Dementsprechend werde ich von diesem Kaltstart gleich einmal ordentlich gefordert. Mein Selbstvertrauen aber ist groß genug um weiter oben noch einen ganzen Grad schwieriger klettern zu können. Außerdem würde es wärmer werden, denn ums Eck wärmt die Sonne bereits die linke Verschneidungswand. Allerdings weht auch ein steifer Nordwind der uns auf der „Kanzel", einem ausgesetzten Standplatz, ordentlich auskühlt.

Meinem kleinen Bruder, noch ein richtiger „Zwerg", ist recht kalt…

Ich steige in die Verschneidungslänge ein, in der Hoffnung, dass ihm alleine schon durchs Seilausgeben wärmer werden würde aber knapp unter der Schlüsselstelle schlägt das sprichwörtliche Aprilwetter zu und es beginnt in großen Flocken zu schneien. Bald ist der Fels schwarz vor Nässe. Das kommt uns beiden schon ziemlich wild vor aber ich muss noch über die Schlüsselstelle die oberhalb von mir lauert. Ich will keine Zeit verlieren und steige rasch weiter, auch weil ich das Gefühl habe, dass es sich nur um einen kurzen Schauer handeln könnte. Gerade als ich mitten in der schwierigsten Stelle stehe, einen Haken bereits beinahe in Reichweite, ertönt von unten das leise Rufen meines Bruders. „Ich kann dich nicht mehr sichern! Mir ist sooooo kalt!"

Diese Nachricht fährt mir durch Mark und Bein denn die Schlüsselstelle wäre auch bei guten Bedingungen eine große Herausforderung für mich gewesen. Zudem hält das Schneetreiben unvermindert an. So hänge ich mich erst einmal in den Haken (er steckt, für mich gerade noch erreichbar, an der steilsten Stelle) und schreie die Wand hinunter zu unseren erwachsenen Bekannten am Wandfuß.

Ob unserer Größe (vor allem meinem Bruder sah man das Kind noch richtig an) waren wir bestens bekannt. Teils sogar auch bewundert.

Jedenfalls wurde ich bald erhört und einer dieser „Klettergötter" kam seilfrei zu uns heraufgeschossen um uns zu retten. Mein Bruder wurde schnurstracks und steif vor Kälte zum Wandfuß abgeseilt wo meistens ein Lagerfeuer im Gange war. So auch an jenem 1. Mai.

Während sich mein Bruder am Feuer wieder aufwärmen konnte wurde der große Bergsteiger Luis Strauss zu meinem Seilpartner und ich konnte die Seillänge und die ganze „Kante" zum Gipfel fertigklettern.

 

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