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8 Minuten Lesezeit (1593 Wörter)

Tohuwabohu

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Seit wir vor einigen Jahren unsere 'Zu den Wasserrillen' gemacht hatten schauten wir immer wieder in die Felszone links daneben. 

Da gibt es teils tollen Fels, ob wir da nicht eine lohnende Linie finden würden? Wandfotos wurden gemacht, der Wandfuss abgegangen, überlegt was Sinn machen könnte. Ich zeichnete uns zwei Linien ein. Eine mit einem etwas einfacheren und die andere mit einem sportlicheren Einstieg. Im Mittelteil würde auch etwas durchsetztes leichtes Gelände vorkommen, hier könnte man dann überlegen welcher der beiden Linien man weiter folgen würde. Die Tour sollte dann am Ausstiegsstand unserer 'Wasserrillen' enden wo man sich für ein Abseilen oder den mit Steinmännern markierten Steig entscheiden kann. 

Überlegung im unteren Teil
Überlegung im oberen Teil
Links die beiden Überlegungen, rechts in orange die 'zu den Wasserrillen'

Die Nixtuerin will mir allerdings nicht glauben dass es tatsächlich einen einfachen Einstieg gibt. Die kompakten teils überhängenden Platten welche den unteren Wandteil dominieren drücken tatsächlich leicht aufs Gemüt. 

Egal, wir packen 45 Bolts und 25 Seilstücke für Sanduhren bzw um die Standplatzlaschen miteinander zu verbinden ein und steigen zur Wand hinauf. Schnell wird ein guter Platz gefunden um das ganze Material bis zum Tag der Erstbegehung zu verstecken. Nochmals wird der gesamte Wandfuss abgegangen und wir suchen nach eventuellen Spuren schon bestehender Klettertouren bzw nach dem idealen Einstieg für uns.

Die letzten Urlaubstage war dann das Wetter leider zu unsicher und so mussten wir auf den nächsten Urlaub hoffen.

Rund ein halbes Jahr später steigen wir dann endlich mit Bohrmaschine & Co wieder hinauf um endlich durchzustarten. An den Bedenken der Nixtuerin hat sich noch immer nichts geändert, und schön langsam kommt auch mir die Einsicht dass die lässigen Überhänge wohl nicht die erste Wahl sind. Zumindest nicht wenn wir gemütlich an einem Tag bis ganz hinauf kommen wollen, abseilen über die Tour wird nur für den äussersten Notfall eingeplant. 

Also gut, wir werden die leichte Variante angehen! 

Wir graben unser Materialdepot aus, schneiden die Sträucher rund um den Einstieg frei und errichten einen kleinen Steinmann.

Ich montiere den Holster der Bohrmaschine und den Hammer an meinem Gurt, schnappe mir 4 Klemmgeräte und einige Keile welche ich neben die 10 Expressschlingen, an denen schon die Laschen mit vormontierten Ankern baumeln, hänge. Anita bekommt in ihren Rucksack deutlich mehr Material. 35 Bolts, 25 Seilstücke was in etwa einem 50er Einfachseil entspricht, 2 Akkus, 3 Liter Wasser und das sonstige Zeug was man eben so mit hat.
Los geht's! Die ersten Meter sind nicht schwierig, allerdings auch nicht wirklich schön.

Ich denke mir hier könnte man nach Lust und Laune sogar selbst absichern, daher bohre ich die erste Zwischensicherung erst relativ hoch, aber genau dort wo es erstmals ein bisserl knackig wird. Boah, irgendwie dachte ich dass wir gerade den 'einfachen' Weg gewählt haben, aber es fühlt sich eher in Richtung einem 6er an. Egal. Der Blick hinauf sagt dass der Rest dieser Länge nicht schwieriger wird. Ich sehe auch schon wo ich den Standplatz bohren werde, links daneben geht eine nette Verschneidung hinauf, sieht von herunten nach einem 5er aus. Genial, also weiter! Beim bohren der beiden Standplatzbolts erblicke ich in der geplanten Verschneidung doch tatsächlich einen Normalhaken! Nein! Das darf jetzt nicht wahr sein, auch unterhalb der Verschneidung sehe ich 2 Reepschnüre hängen.

Anita steigt kämpfend mit dem Gewicht ihres Rucksackes zu mir herauf.

Wir beratschlagen. Eine alte Tour werden wir sicherlich nicht überbohren. Die einzige Möglichkeit die wir haben ist direkt vor uns über eine senkrechte Passage hinauf. Supersteiler Wasserfrass, aber schwierig zu lesen und sicher alles andere als eine 'leichte' Variante. Ich bin mir nicht sicher ob ich sowas überhaupt einbohren kann, aber ich muss es versuchen. 

Die ersten beiden Bolts werden recht kurz hintereinander gebohrt, aber bei einem Ausrutscher würde ich sonst direkt auf den Absatz unter mir fallen.

Ich sitze im zweiten Bolt und versuche immer wieder weiter zu klettern, jedes mal muss ich aufs neue schauen wo ich greifen und steigen kann, ich wünschte einen Chalkbag zu haben um die passenden löcher zu markieren. Anita sagt irgendetwas von umdrehen und zu schwer, das kommt in diesem Moment aber so gar nicht bei mir an, in mir arbeitet es. Ein Stürzen kommt auf keinen Fall in Frage, ein technisches Hochbohren natürlich auch nicht. Wenn ich nicht bald die Kontrolle über meinen Kopf bekomme wird die Kraft nicht reichen um die nächsten Meter ins Unbekannte zu klettern und die nächste Zwischensicherung zu bohren. Die Gewissheit dass die Freude auf diese Tour hier und jetzt ein für alle Mal ein Ende haben wird wenn ich nicht sofort weiterkomme vertreibt alle Gedanken, lässt mich total fokussieren und pumpt mir neue Energie in Arme und Beine. Tatsächlich klappt es nun besser als befürchtet, 3-4 Kletterzüge und schon finde ich eine Position um zu bohren. Gewonnen! Ich hänge für Anita zwei 120er Bandschlingen in Reihe in den Bolt, aber auch so wird es für sie mit Materialrucksack hart werden. Die weiteren Meter zum geplanten Standplatz sind verhältnismässig einfach.

Die folgende Länge startet mit einer netten Plattenstelle nach rechts bevor sie über einfaches Gelände erneut an eine steile Wand führt.

Mist, auch hier sehen wir im geplanten leichten Weg schon wieder einige Reepschnüre, also weichen wir abermals nach rechts aus.

Der Fels ist toll, viele gute Strukturen und nach rund 15 Meter klettere ich in eine kleine Verschneidung auf deren Ende ein sperrender Felsklotz sitzt. Leider muss ich feststellen dass dieser Klotz äusserst instabil ist und im Fall der Fälle den Sichernden ganz bestimmt begraben würde. Schön langsam wird es mühsam! Anita lässt mich am letzten Bolt einige Meter ab und ich weiche über rechts aus, putze 2-3 Griffe frei und komme etwas über dem Felsklotz wieder auf die logische Linie. Nochmals werde ich abgelassen um die beiden nun unnötigen Bolts abzumontieren damit sie niemanden in die Irre führen. Der weitere Weg ist bis hin zum Standplatz toll und anhaltend steil.

Anita kommt nach diesen 40 Metern erschöpft am Standplatz an und ich versuche ihr einzureden dass es ab jetzt wirklich leicht wird. Immerhin hat sie ja nur noch rund 20 Bolts und 20 Schlingen im Rucksack.

Nach etwas Überzeugungsarbeit und einer kurzen Pause versuche ich nun wirklich einen einfachen aber auch lohnenden Weg über die Felsstufe vor uns zu finden.

Der am Wandbild geplante Weg wäre leicht überhängend, und das würden wir beide wohl nicht überstehen. Es sind etwa 20 Meter nettes Klettern und anschliessend wie geplant noch rund 20 Meter bis zur nächsten Plattenzone.

Vor uns liegt eine 40 Meter lange geniale Plattenlänge, geschätzt im guten 5er. Genuss pur!

Ab jetzt kann wirklich nichts mehr schief gehen, ich starte los und weil es gar so gut geht bohre ich den ersten Bolt erst nach etwa 10 Metern. Alles ist herrlich bis es plötzlich 'kracks' macht und der Bohrer im Loch abbricht! Aaahhh! Mist, ruhig bleiben und durchatmen. Normalerweise hat Anita immer einen Ersatzbohrer in ihrem Rucksack um zu wechseln falls der Bohrer stumpf wird. Heute ist der Ersatzbohrer aber, aus welchem Grund auch immer, in einem kleinen Materialsack an meinem Gurt. Die Schwierigkeit ist nur dass er noch in der Originalverpackung steckt und ich auch noch den gebrochenen Bohrerstummel aus der Maschine bekommen muss. Nach einigem sehr angespanntem Herumgebastel kann ich endlich ein neues Loch bohren und mich anschliessend im Bolt sitzend ausruhen bevor ich diese Seillänge zu Ende bringen kann.

Die folgende Länge ist zum Glück wirklich absolutes Genussgelände, und ich muss auf diesen 55 Metern auch nur eine Zwischensicherung bohren denn es gibt ausreichend Sanduhren welche wir mit den mitgetragenen Schlingen knüpfen können.

Als Anita am Standplatz ankommt beschliessen wir etwa 20-30 Meter nach rechts in unsere 'Wasserrillen' zu queren um von dort abzuseilen.

Die übrigen Schlingen und Bolts lassen wir am Standplatz zurück um die letzten beiden fehlenden Längen in ein paar Tagen fertig zu stellen. Da wir aber deutlich länger gebraucht haben als geplant und die Sonne Ende November schon recht früh untergeht ist dies sicher die richtige Entscheidung.
Beim Abseilen verspricht mir Anita, wie schon öfters nach langen Erstbegehungstagen, dass sie nie wieder bei derartigen Unternehmungen mitmachen würde. (Sie hielt sich natürlich wieder nicht daran :-) allerdings habe ich inzwischen einen Haulbag gekauft damit sie im Nachstieg nicht den anstrengenden Job des Lastesel hat.)

Exakt als die Sonne am Horizont hinter den Kroatischen Inseln untergeht steigen wir auf unser Motorrad und fahren zum Campingplatz, wo wir kurz darauf von kroatischen Freunden in eine nette Bierbar entführt werden.

Einige Tage später klettern wir die Tour dann in Begleitung von lieben Freunden und verlängern sie noch um 2 wunderschöne Genusslängen nach oben hin zum Ausstiegsstand der 'Zu den Wasserrillen'.

Den Namen Tohuwabohu geben wir der Tour einerseits weil die Erstbegehung ja wahrlich einem Tohuwabohu glich und andererseits weil ich in den genussreichen weniger anstrengenden Längen 'Der Sonne entgegen', den Titelsong einer Fernsehserie aus meiner Kindheit, gesungen habe in welcher das Segelschiff der deutsch-österreichischen Aussteiger Tohuwabohu heisst.

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Kommentare 1

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nixtuer

am Samstag, 09. Mai 2020 18:00

der beschreibung nach musst das wohl du sein
http://www.nixtun.at/pics/var/albums/2018/20181030-Tohuwabohu/Tohuwabohu%2018.jpg?m=1541320547
ich sag danke!
es ist immer wieder schön wenn man freunde hat welche die neuen touren testen

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der beschreibung nach musst das wohl du sein :D [img]http://www.nixtun.at/pics/var/albums/2018/20181030-Tohuwabohu/Tohuwabohu%2018.jpg?m=1541320547[/img] ich sag danke! es ist immer wieder schön wenn man freunde hat welche die neuen touren testen ;)