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6 Minuten Lesezeit (1273 Wörter)

"Das Können ist des Dürfens Maß" - Paul Preuss Preisverleihung 2020 an Heinz Mariacher.

Preisverleihung Photo credit: Horst Jobstraibitzer
Heinz Mariacher, Reinhold Messner; photo credit: Horst Jobstraibitzer
Kendo (10) Nikolaustal; photo credit: Archiv Mariacher

Castel Firmian in Bozen - besser bekannt als Messner Mountain Museum Schloß Sigmundskron war am 25.08.2020 ein denkbar würdiger Ort, um einen der ganz Großen des Klettersports für sein alpines Lebenswerk zu ehren. 

Heinz Mariacher wurde von der Internationalen Paul Preuss Gesellschaft (IPPG) mit dem Paul Preuss Preis 2020 ausgezeichnet.

Nicht nur das Wetter erwies Heinz an diesem strahlenden Sommerabend die Ehre. Auch eine Vielzahl von Freunden, Weggefährten, großen Persönlichkeiten des Bergsteigens und Vertretern von Wirtschaft und Medien nahmen den Weg nach Bozen auf sich, um an dieser gelungenen Veranstaltung, (bestens organisiert von Fritz Petermüller), teilzunehmen. Kaum jemals zuvor gab es so viele klingende Namen des Alpinismus an einem Ort vereint und selbst der Hausherr, Reinhold Messner, ließ es sich nicht nehmen, die Laudatio zu halten um Heinz Mariacher als einen der ganz großen Vertreter des klassischen Alpinismus im Sinne von Paul Preuss zu würdigen. Dass die Feier im Freien, im Hof der Burganlage, stattfinden konnte war wohl das Tüpfelchen am i.

"Silberplatten". Marmolada Südwand. 1980

"Das Können ist des Dürfens Maß" - Als sich Heinz Mariacher, im Herbst 1980, dazu entschloss, einen seiner Träume, zukünftigen, besseren Generationen zu überlassen, hätte kein Satz besser zu seinem Tun gepasst. 

Dreimal war er mit seiner Partnerin Luisa Iovane weit in die Silberplatten, wie er die Wandflucht rechts der "Via dell`Ideale" in der Marmolada Südwand nannte, geklettert. In 450 Metern Wandhöhe sah er keine Möglichkeit mehr, unter den ihm selbst auferlegten Regeln - reine Freikletterei, keine Bohrhaken - weiterzukommen. Heinz und Luisa seilten ab.

"Es ist nicht wichtig ob du gewinnst oder verlierst. Wichtig ist nur, dass du immer bereit bist für eine Sache zu kämpfen, von der du träumst." (Heinz Mariacher).

Das Problem wurde ein Jahr später (2.- 4.8.1981) von Igor Koller und Indrich Sustr mithilfe einiger technisch gekletterter Passagen gelöst. (Via Pesce - der Weg durch den Fisch - 7/A4)

Joe Bachler (seit heuer Obmann der internationalen Paul Preuss Gesellschaft) moderiert die Veranstaltung in souveräner Weise, erzählt eine kurze Biographie von Paul Preuss und überreicht Heinz gemeinsam mit Reinhold Messner eine vom Bad Reichenhaller Künstler Walter Angerer d.J. , gestaltete Skulptur.

"Moderne Zeiten (7+), Oktober 1982

Im Gegenzug zum "Weg durch den Fisch" eröffnete Heinz mit Luisa im Sommer 1982 an der Punta Rocca (Marmolada Südwand) seine wohl bedeutendste Neutour in den Dolomiten - "Moderne Zeiten". 

Mehrmals waren die Beiden nahe daran aufzugeben. Der Weiterweg schien zu glatt, zu schwer, zu gefährlich. Doch der Himmel war blau und sonnenklar und drängte zum Weiterprobieren.

"Der Ausweg - eine Querung an kleinen Fingerlöchern ins Ungewisse,erforderte alles, was ich an Mut und Entschlossenheit besaß. Ich hatte Glück." (Heinz Mariacher).

Für Reinhold Messner war diese Route zur damaligen Zeit die wichtigste, (im Sinne von Paul Preuss), Neutour in den Dolomiten. Ein Meilenstein. "Und kein Name hätte besser zu dieser grandiosen Linie gepasst als Moderne Zeiten."

Für Heinz war diese Route der Endpunkt seines Tuns im klassischen Alpinismus. 

Heinz erzählt von seiner Solobegehung des Confortorisses an der Marmolada Südwand im Juli 1979. Als er bemerkte, dass die Kamine im oberen Teil vereist sind, lag die Schlüsselstelle noch vor ihm. Hier stellte sich auch ihm die Frage nach des Dürfens Maß. Aber 500 Meter wieder abzuklettern war auch keine begeisternde Option. Er machte, jeden Kletterzug vorsichtig abwägend, weiter.

"Arco" ab 1983 

Gemeinsam mit Manolo Zanolla und Roberto Bassi entdeckte er die glatten Platten am Nordende des Gardasees und begann 1983 mit seinen Freunden die sportklettertechnische Erschließung von Arco. Geprägt von der alpinen Vergangenheit der Protagonisten bestachen diese Routen vor allem durch ihre Kühnheit. Zwar wurden Bohrhaken verwendet aber Heinz setzte sie in dermaßen großen Abständen, dass er sich selbst nur mit großer Überwindung hochtraute. Routen wie "Superswing" , "007" oder "Tom e Jerry" erreichten Kultstatus.

Reinhold Messners schwierigste Erstbegehung in den Dolomiten, der Mittelpfeiler am Heiligkreuzkofel, erfuhr seine erste Wiederholung durch Heinz Mariacher 1977. Anstelle die Schlüsselstelle zu klettern (es war dies, 1968, die erste Passage des 8. Grades in den Alpen) "umging" Heinz die Stelle mittels einer Rechtsschleife.

Warum eigentlich?

Heinz (lachend):"Das war ein Irrtum" 

Reinhold: "Ich kann mich noch erinnern, als du mich gefragt hast, warum der Quergang in meiner Routenbeschreibung fehlt. Aber es gab keinen Quergang, obwohl ich es versucht habe. Das Band verlief in der mauerglatten Wand. Ich sah einfach keine Chance nach rechts zu kommen und entschloss mich zur Flucht gerade nach oben.

Heinz: Du bist einfach nicht weit genug nach rechts. Ich hab bei meinem ersten Versuch auch umgedreht. Beim zweiten Anlauf bin ich noch etwas weiter rechts und erst als ich um die Ecke geschaut hab, sah ich den versteckten Riss. Bei meiner Rotpunktbegehung aber bin ich die Originalroute geklettert. Vielleicht einen Meter weiter links als du.

"Via Pesce - der Weg durch den Fisch (7/A4)", 1984

Die "Via Pesce - der Weg durch den Fisch" erlebte im Spätherbst 1984 durch Heinz, Luisa, Bruno Pederiva und Manolo Zanolla im Stil von Koller und Sustr ihre erste Wiederholung. Beeindruckt von der großartigen Leistung der Erstbegeher, würdigten die Vier die Route als schwierigste und anspruchsvollste Kletterei der Dolomiten.

Frage eines der anwesenden Journalisten an Heinz:

Wie würde es in der Marmolada Südwand jetzt aussehen, wenn man sich an Paul Preuss halten und keine Haken schlagen würde?

Die Frage beantwortet Alexander Huber mit breitem Grinsen aus dem Publikum.

"Do tät´s aber gscheit umgehen in der Südwand"

"Kendo (10) 1986

Als Arco als Kletterziel zu bekannt und zu frequentiert wurde, zog Heinz sich in die Dolomiten zurück. Das Val San Nicolo bot ideale Voraussetzungen um den nächsten Schritt zu setzen. Die Rolle der Alten, die sich und ihre Ansichten gegen die junge, nachdrängende, Generation verteidigten gefiel ihm ganz und gar nicht. Die Herausforderung, an der Jagd nach dem höchsten Schwierigkeitsgrad teilzunehmen, war doch viel interessanter.

"Ein Zehner war ein konkretes Ziel, alles andere nur leeres Gerede".

1986 eröffnete Heinz mit "Kendo" im Nikolaustal den ersten Zehner Italiens.

Heinz beantwortet noch verschiedene Fragen aus dem Publikum aber irgendwann wird das Magenknurren unter den Anwesenden immer lauter und Reinhold Messner lädt zu einer kleinen Jause bei gemütlichem Zusammensitzen im Festsaal.

"Tempi Modernissimi (9+)", 1986

Ob reine Freikletterei mit Bohrhaken zur Sicherung in alpinen Wänden eine Zukunft sein könnte, war die nächste Frage die Mariacher sich stellte. Auch hier war es sein Anspruch, dem "Unmöglich" eine Chance zu bieten.

Heinz suchte für dieses Experiment eine klettersportlich völlig unerschlossene Wand und wurde an der Ostwand des Sasso delle Undici fündig. Sein kompromissloser Erstbegehungsstil - keine Erkundung von oben und Anbringen der Bohrhaken im Vorstieg aus der Kletterstellung brachte ihm die Erkenntnis, dass dies ein gangbarer Weg wäre, die Alpenkletterei voranzutreiben.

"Tempi Modernissimi" im oberen neunten Schwierigkeitsgrad war ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Lutz Maurer, der erst vor kurzem den Vorsitz der IPPG an Joe Bachler abgegeben hat, eröffnet das Buffet mit einer kurzen Rede. Trotz der sommerlichen Temperaturen trägt er dabei eine Daunenjacke, die ihm die unvergessliche polnische Bergsteigerin Wanda Rutkiewicz vor vielen Jahren geschenkt hat.

Der Abend vergeht wie im Flug. Es ist ein Treffen vieler, alter Freunde. Es wird gefachsimpelt, getrunken, gegessen, gelacht. Die ältere Generation schwelgt in Erinnerungen und erzählt sich Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Die junge Generation schmiedet Pläne.

"Der Weg durch den Fisch (8+/9-)", 1987

1987 kehrte Heinz mit Bruno Pederiva zum "Weg durch den Fisch" zurück. Am 16. und 17. August gelang den Beiden die erste Rotpunktbegehung dieser bohrhakenfreien Route. Das Geheimnis der Silberplatten konnte also doch noch nach Heinz´s ethischen Grundprinzipien gelüftet werden. 

Kurz vor Mitternacht machen sich die letzten Gäste auf den Weg nach Hause. Es war bestimmt für alle ein unvergesslicher Abend.

Heinz und Luisa brechen auf zu ihrer Alm am hinteren Ende des Nikolaustales. Dort werden sie weiterhin ihre Kletterleidenschaft an unbekannten Felsen in unbekannten Winkeln leben.


"Irgendwann ist mir bewusst geworden, dass Klettern eine sehr persönliche Sache ist" sagt Heinz." Und für den Rest der Welt absolut unwichtig."

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