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Nora Weidinger klettert Schattenwitz (9-) an der Schartenspitze Nordwand rotpunkt

stefanfilzmoser_DSC0870 Photo credit: Stefan Filzmoser
photo credit: Stefan Filzmoser
photo credit: Stefan Filzmoser

Die Nordwand der Schartenspitze blickt auf eine reichhaltige vertikale Geschichte zurück. Nicht nur Raimund Schinko hat in dieser Wand seine Spuren hinterlassen (Nordwand - Weg Schinko 1932, 5-)  Auch Rudi Lindner hat mit dem Leobnerriss und vor allem mit der Felsenfenster Nordwand Routen erschlossen, die wohl jeder Hochschwabkletterer der extremeren Richtung auf seinem Wunschzettel stehen hat. 

1994 schließlich hielt das moderne, alpine Sportklettern, (von unten, ohne vorheriges Abseilen über die Route), Einzug an der düsteren Nordwand oberhalb der Fölzalm. 

Das Brüderpaar Ernst und Roman Gruber, bekannt als die "Gruaber Buam", denen schon 1974 mit 13 bzw. 15 Jahren eine Seilschaftsbegehung von Rudi Lindners Felsenfenster Nordwand gelang, kletterte rechts davon auf einer neuen Route zum Gipfel. 

"Dornenvögel" 8+/9- war die zu ihrer Zeit wohl die schwierigste, anspruchsvollste und im besten Stil erstbegangene Kletterroute des Hochschwabs. Ein Meilenstein.

Ein weiterer Meilenstein in der Klettergeschichte des Hochschwabs gelang im Juli 2020 wohl der jungen Oberösterreicherin (und Wahlsteirerin) Nora Weidinger. Abermals an der Nordwand der Schartenspitze gelang ihr eine Rotpunktbegehung der 9- Route "Schattenwitz".

Mit Linda Carlozzo als kongeniale Kletterpartnerin kletterte sie dabei alle Seillängen Rotpunkt. 

CLIMBING.PLUS traf sich mit Nora beim Hubert, der Jausenstation Grassauer am Beginn des Bärenschütztales, auf a Tratscherl und a alkoholfreies Bier. ;)

CLIMBING.PLUS: Gratuliere zu deiner Schattenwitz Begehung Nora. Meines Wissens nach dürfte das wohl die schwierigste Mehrseillängenroute im Schwaben sein, die von einer Frau komplett Rotpunkt durchstiegen worden ist. Warum gerade der "Schattenwitz"?
Nora: Also die Wand hab' ich zum Ersten Mal für mich entdeckt im Sommer 2019, als ich mit einem Freund, Paul Kiefer, die "Dornenvögel" geklettert bin. Mir taugt diese Tropflochkletterei einfach ganz brutal und auch das alpine Sportklettern. Und ich hab damals schon ein bisserl rübergeschaut zur "Schattenwitz" weil ich gehört habe, dass der Fels dort genauso toll ist und dass es eine sehr homogene Route sein soll. Und auch, dass die Absicherung ganz gut passt. 

CLIMBING.PLUS: Bist du die "Dornenvögel" auch Rotpunkt geklettert? 
Nora: Da haben wir eine Team Free Begehung gemacht. Wir haben beide die erste Länge geführt. Ich hab dann noch die Schlüsselseillänge und die letzte Länge geführt und der Paul den Rest. Ursprünglich hatten wir ja geplant, dass wir beide alle Längen Rotpunkt vorsteigen wollten.
Leider ist dem Paul in der Schlüssellänge ein Trittzackerl ausgebrochen und er ist kurz vorm Stand gestürzt. Die Schlüsselseillänge ist mir im 2. Versuch aufgegangen. Es war ein wunderschöner Moment, die Sonne blinzelnde über die Westkante und unsere Erleichterung und der Jubel war groß. Ich hab natürlich davon profitiert, dass die Schlingen bereits drin waren und ich beim Paul auch gesehen hab, wie es geht. Wir sind die gesamte Route frei durchgestiegen an diesem Tag ohne dass wir vorher einmal drin gewesen wären.

CLIMBING.PLUS: Und dann hast du dir den "Schattenwitz" als Projekt ausgesucht.
Nora: Die Route schaut einfach genial aus.  Ich konnte nur erahnen, wie steil sie ist und das ist sie wirklich an manchen Stellen. Die Tour ist mir sofort ins Auge gesprungen. 

CLIMBING.PLUS: Wann bist du dann das erste Mal eingestiegen?
Nora: Das war vorigen Sommer. Mit einem Freund aus Niederösterreich. Ich bin alle Längen vorgestiegen und als mir da auch die Schlüsselstelle beim 2. Versuch gleich frei gelungen war, dachte ich, das kann ich wirklich klettern. Mein Entschluss war gefasst. Ich werde wiederkommen und ich möchte die Tour von unten bis oben Rotpunkt klettern. Ich hab mir auch ein Grifftopo gezeichnet, damit ich nichts vergesse, wenn ich wieder komme. 

CLIMBING.PLUS: Wann bist du wiedergekommen?
Nora: Das war heuer im Frühsommer. Ich bin im Winter und im Frühling viel in der Steiermark geklettert und wie das so ist, plaudert man beim Klettern mit Freunden hin und wieder von Traumtouren und Projekten, die man klettern möchte. Die Idee das Ganze zu fotografieren und bildlich mitzudokumentieren stammt von Stefan Filzmoser. Er wollte als Fotograph mitkommen und lässige Fotos machen. 

CLIMBING.PLUS: Aber es fehlte ja noch der Kletterpartner. Um gute Fotos zu machen muss der Fotograph ja in Fixseilen hängen, oder mit einer Drohne filmen.
Nora: Das stimmt. Wir haben ein bisserl überlegt wie wir das angehen könnten und letztendlich hatten wir einen guten Plan und der Stefan eine Vorstellung wie er das Ganze umsetzen möchte. Die Dinge haben dann ihren Lauf genommen und später wurde ein richtiges Projekt daraus. Wir haben auch Unterstützung von Scarpa und E9 bekommen, was uns echt Freude bereitet hat und wir nicht damit gerechnet hätten. 

CLIMBING.PLUS: Die Suche nach einem Kletterpartner ging aber weiter.
Nora: Eigentlich war es keine Suche, sondern ich hab auf Anhieb an die Linda gedacht, eine gute Freundin von mir und sie gefragt ob sie dabei wäre. Mit ihr bin ich letzten Sommer erstmals in eine längere Route eingestiegen ("Magic Line" an der Hundswand) und wir haben gleich gesehen, dass es mit uns als Seilschaft super funktioniert. Die Linda ist ja eine brutal gute Kletterin aber noch wichtiger ist, dass das ganze Drumherum passt. Es hat auf Anhieb mit den Seilmanövern geklappt und das ist auch wichtig für die Sicherheit und das Selbstvertrauen. Wenn man spürt, dass da jemand dabei ist, der einen mental aufbaut wenn es um einen Durchstieg geht oder auch das Ruder im Vorstieg übernimmt, wenn man psychisch grade mal angeschlagen ist. Und riesigen Spaß macht´s mit der Linda ohnehin immer. 
Und der Gedanke einer reinen Mädels Seilschaft hat schon etwas. Obwohl wir bei unseren Plänen nie das Thema Female Ascent in den Vordergrund gestellt haben. Es ist ja immer schwierig einen Partner für so eine Unternehmung zu finden. Jemanden der genauso motiviert ist, die Tour zu klettern, jemand mit dem du einfach auf der gleichen Welle bist. Bei der Linda war das der Fall und es war auch diesmal wieder unser Plan, dass wir beide alle Längen Rotpunkt klettern wollten. Wir dachten, wenn schon Fixseile in der Wand sind, dann geht das schneller.

CLIMBING.PLUS: Und wann habt ihr euer Projekt umgesetzt?
Nora: Ich hab mit dem Stefan am Montag in der ersten Juliwoche das Material hochgetragen. Das war eine irre Schlepperei. Immerhin hatten wir 200 Meter Fixseile mit. Wir waren zu Fuß, an einem herrlichen, sonnigen Tag unterwegs und hatten schon auch ein bisserl eine Gaudi bei der ganzen Sache. Wir sind noch am selben Tag eingestiegen und bis zur Schlüsselstelle geklettert und haben die Seile fixiert. Dann hat uns ein Unwetter erwischt und wir mussten abseilen. 
Am Dienstag machten wir Pause und am Mittwoch kam Linda nach.

CLIMBING.PLUS: Hattet ihr da vor, die Tour nochmals auszubouldern oder wolltet ihr gleich einen Rotpunktversuch starten?
Nora: In meinem Kopf war natürlich der Plan die Tour an diesem Tag Rotpunkt zu klettern, ganz klar. Aber wie es dann wirklich läuft ist ja meistens die andere Sache. Es war ein Traumtagerl und als mir die erste Länge so richtig super reingelaufen ist, da hab ich die Linda gefragt, ob es ihr was ausmacht, wenn ich gleich weiterklettere.
Als ich die Schlüsselseillänge hinter mir hatte und somit die ersten fünf Längen beim ersten Mal gleich klettern konnte, kam ich in den schwierigen Wandteil, den ich nur von meinem Versuch im Vorjahr her kannte. Das besagte Grifftopo war eine gute Hilfestellung, ich konnte mich an vieles aber nicht mehr so genau erinnern.

CLIMBING.PLUS: Wie schwer ist es dort noch?
Nora: Also für mich ist das schon 8+/9-. Zu Beginn der Länge ist eine Boulderstelle die nochmal anhaltend ist. Manche sagen, dass es einfacher wäre, aber wer weiß, es war ein langer Tag und die Fixseile haben wir dann auch mit hochgenommen, was auch Kraft gekostet hatte.
Ich hab 4 Versuche für diese Stelle gebraucht. Wir sind um 9 Uhr morgens vom Parkplatz weg und um Mitternacht waren wir wieder beim Auto. Ich war völlig fertig.

CLIMBING.PLUS: Gratuliere zu dieser großartigen Leistung Nora. Hast du schon weiter alpine Abenteuer geplant?
Nora: Natürlich gibt es einige Ideen im Kopf. Die Linda und ich waren am wilden Kaiser und dort ist uns schon was ins Auge gesprungen und auch am Hochkönig. Aber ganz klar, zu Hause im steirischen Kalk gibt es natürlich schöne Linien und Schätze, die darauf warten geklettert zu werden. Vielleicht passt es heuer noch für die Felsenfenster Nordwand an der Schartenspitze (8). Die ist die Linda vor kurzem geklettert.

CLIMBING.PLUS: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für deine Zukunft. Hat großen Spaß gemacht mit dir zu plaudern und wir sehen einander bestimmt bald wieder einmal am Fels. 

Vielen Dank auch an Stefan Filzmoser für die tollen Fotos.

photo credit: Stefan Filzmoser
photo credit: Stefan Filzmoser

Übersicht der Mehrseillängen Touren im Interview

Casablanca & Magic Line

Österreich - Hochschwabgruppe

Dornenvögel

Österreich - Hochschwabgruppe

Felsenfenster Nordwand - Schartenspitze

Österreich - Hochschwabgruppe

Leobnerriss - Schartenspitze

Österreich - Hochschwabgruppe

Schattenwitz - Schartenspitze

Österreich - Hochschwabgruppe

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