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4 Minuten Lesezeit (853 Wörter)

Mit Badeschlapfen am Opernball (oder ein Appell für Klemmgeräte im Grazer Bergland)

Friends in Verwendung in der Wienerführe am Festkogel

Es ist schon ein paar Jahre her, aber an diesen Blick kann ich mich noch genau erinnern … 

Einleitung

Als noch etwas unbedarfter Aspirant, traf ich mich zum Klettern mit einer Persönlichkeit im Grazer Bergland. Den Bekanntheitsgrad erlangte er durch viele Neuerschließungen, aber auch durch die vielen gelungen Sanierungen. Wir trafen uns um eine Route am SO-Sporn zu klettern. Am Einstieg angekommen, ging es ans Materialsortieren. Ich war zuständig für das „Eisen" und packte Karabiner, Expressschlingen und 2 Friends aus. All dies hängte ich mir an den Gurt. Als ich wieder auf sah, war er er plötzlich da – der Blick: Ich wurde betrachtet, als würde ich im schönsten Frack zum Opernball gehen. Aber anstatt mit eleganten Tanzschuhen zur Tanzfläche zu schreiten, latsche ich in Badeschlapfen dem Donauwalzer entgegen. Zu diesem Zeitpunkt war mir aber nicht klar, was mir diesen verwunderten Blick einbrachte. Aber da kam sie schon, die etwas verlegene Frage meines Freundes: „Du hast Friends mit?". In der Hoffnung mir Anerkennung über die Kenntnisse des Sanierungs- und Erschließungsstils im Grazer Bergland zu ernten, antwortete ich mit einer etwas gestellten Selbstverständlichkeit: „Ja, natürlich! Ich weiß, dass ihr immer dort, wo es leicht wird und man gut legen kann, nicht gebohrt habt. Mir gefällt das! Bei passender Gelegenheit mobil sichern zu müssen, finde ich einen super Stil." Innerlich ging mir ein breites Grinsen über die Lippen, denn, da war ich mir sicher, meine Antwort zeigte von Kompetenz und Erfahrung. Das innerliche Grinsen verging mir aber prompt ob der Antwort meines Freundes. Er kommentierte kurz, aber keinesfalls überheblich: „Nein, leicht reichte uns als Grund aus, um keinen Bohrhaken zu setzen." Zugeben, da war ich dann etwas überrascht.

Aufklärung

Natürlich ließ ich meine scheinbare Unwissenheit nicht auf mir sitzen und ging in die Diskussion. Schnell war klar, dass wir unterschiedlichen Generationen angehören. Wir vertraten die junge Generation, für die die sehr gute Absicherung im Grazer Bergland Normalzustand ist und die ältere Generation, die den Wandel von fragwürdigen Haken zu einer ausreichenden Anzahl von guten Haken noch intensiv erlebte. Gutes Material war sehr teuer und es wurde sparsam eingesetzt. Heute zwingen die Materialkosten nicht unbedingt zur Sparsamkeit, sondern es gibt andere Kriterien. Jeden Falls bestand ich auf die Friends und setzte sie auch immer wieder ein. Nicht nur im leichten Gelände wo es keine Haken gab, sondern auch immer wieder anstatt der vorhanden Bohrhaken. Weil ich das immer schon so mache, ging das sehr schnell und einfach. Mir macht das Spaß. Mein Partner beobachtete das und zeigte auch Begeisterung.

Ein Appell

Eigentlich gehe ich kaum eine Route im Grazer Bergland ohne eine kleine Auswahl an mobiler Sicherungsmittel mit dabei zu haben. Ich nehme sie aber nicht nur zum Aushängen an der frischen Luft mit, sondern lasse sie auch tief in Risse schnüffeln. Man bekommt Übung und kann sich aufgrund der meist vorhandenen fixen Absicherung langsam herantasten. Das bringt Anfängern die notwendige Sicherheit und Profis können die Technik verfeinern. Sollte es einmal ungeplant brenzlig werden oder man klettert bewusst eine Tour mit viel geforderter Eigeninitiative, ist man perfekt vorbereitet.

Wenn man etwas mehr Material mit nimmt, wird man erstaunt sein, wie viele Seillängen man gänzlich clean und ohne große Abstriche in der Absicherung im Grazer Bergland klettern kann. Deshalb meine klare Empfehlung: Nimm auch im Grazer Bergland eine kleine Auswahl an Klemmgeräten mit und nutze die Möglichkeiten!

Reicht leicht noch aus, um keinen Haken zu setzen?

Seit den großen Sanierungswellen um die 00er Jahre ist einiges an Zeit vergangen. Weil das Material teilweise schlecht geworden ist, hat eine neue kleine Welle begonnen. Parallel dazu gibt es viele schöne Neuerschließungen. Einige davon sind in Punkto Absicherung unbestritten extrem. Es scheint, dass sich viele Besucher an diesen Stil gewohnt haben bzw. diesen auch wollen. Sehr eng gesicherte Routen werden bevorzugt. Eingerichtete Touren, die noch vor 15 Jahren als sehr gut abgesichert galten, bekommen teilweise das Prädikat „weit gesichert" und werden eher gemieden. Das ist etwas schade, weil die Routen so schnell wieder verkommen. Im Grazer Bergland ist es leider so: wird eine Route nicht geklettert, wächst sie wieder zu. Heißt das nun, um ein hohe Besucherfrequenz zu erreichen, bräuchte es nun auch Haken im leichten Gelände? Reicht das Argument „ist eh leicht" nicht mehr aus. Ich denke nicht! Mein Ansatz beim Sanieren im Grazer Bergland ist, wenn keine Sicherung da war, kommt auch keine hinzu, außer:

  • es handelt sich um ein klassisches Runout (ja, das passiert manchmal unabsichtlich)
  • die ungesicherte Stelle ist im Vergleich zur restlichen Route nur unwesentlich leichter
  • die Kletterei ist zwar im Vergleich leicht, aber das Gelände besteht aus fragilem Felsen mit wenig Sicherungsmöglichkeiten

… und weil ja nun ohnehin jeder weiß, dass man auch ins Grazer Bergland Friends mit nimmt, kann sich jeder problemlos und ohne großes Risiko selbst die Abstände nach Belieben verkürzen :-).

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