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4 Minuten Lesezeit (794 Wörter)

"Wind"

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Ich bin gerade zuhause beim Garteln, als mir ein kühler Windstoß durch die Haare fährt. Wind! Ich liebe Wind! Und gerade jetzt erinnert er mich wieder an einen ganz speziellen Moment, oben an der Kante der Verdonschlucht. Mehr als dreißig Jahre ist es nun her, dass ich diesen Augenblick am Belvedere de la Carelle genieße. Es riecht nach Lavendel, nach Freiheit und Abenteuer und dazu dieser thermische Wind aus der Schlucht, der mich über die Jahre immer wieder an diese Eindrücke erinnert. Ich wäre jetzt gerne dort und grinse vor mich hin, als die Erinnerungen an damals in einer Deutlichkeit in mir auftauchen, als wäre es gestern erst gewesen.

Wind begleitet mich schon mein ganzes Klettererleben. Seit Allerheiligen 1978, einem winddurchtosten Feiertag, an dem ich als Fünfzehnjähriger in das menschenleere Bärenschütztal wanderte, vorbei an ächzenden und knarrenden Buchen, die sich im Sturm bogen.

Mein Ziel war der Gipfel des Nadelspitzes. Damals gab es lediglich 4 Routen, die an dieser hundert Meter hohen Pyramide existierten und mein Ziel war der heutzutage völlig in Vergessenheit geratene Weg der Erstersteiger. Die Route folgte Bändern, unterbrochen von Steilstufen bis hinauf zum Gipfelgrat. Am höchsten Punkt angekommen, fühlte sich mein jugendliches Herz wie das von Leonardo die Caprio am Bug der Titanic. Ich war der Herr des Windes.

Vom Herrn des Windes ist es bekanntlich nicht weit zum Weg des Windes. Der Versuch dieser sagenumwobenen Route am Eisenerzer Kaiserschild die erste Wiederholung abzuringen, scheiterte ausnahmsweise nicht am Wind. Die Route selbst war es, die uns verblasen hat. Und zwar gehörig.

Wind erinnert mich auch besonders intensiv an Buoux. Er war mein erster Eindruck an diesem kalten Novembertag, als ich aus dem Auto stieg und hoch über meinem Kopf die Schlingen in Ben Moon´s Markstein „Agincourt" in der steifen Brise schaukeln sah. Wind habe ich vorher schon geliebt. Seit diesem Tag liebe ich auch Buoux.

Wer kennt nicht die Bora im kroatischen Paklenica? Der Sturm drückt dir das Zelt mit dermaßen massiver Gewalt auf den Boden, als stünde es am Südsattel des Mount Everest. (Ich war nie am Everest, aber gerade bin ich mir sicher, dass mein Freund Walter Laserer diesen Artikel kommentieren wird – er kennt beide Zeltplätze allerbestens 😉). Jedenfalls hat man in Kroatien alle Mühe, in der Nacht nicht mitsamt Zelt ins nahe Meer zu fliegen und ist überzeugt, dass der nächste Klettertag gelaufen ist. Oft wird man aber am Morgen unerwartet von wolkenlosem, blauen Himmel und Windstille begrüßt.

Morgendlichen Nordwind im Gebirge kennen wir alle. Er fährt dir in die Glieder. Die Zähne klappern. Die ersten Züge sind durchfroren und stocksteif. Augenblicklichst werden Erinnerungen wach. An ähnliche Momente im Gesäuse oder im Schatten der Zinnenwände in den Dolomiten.

Im Winter ist es der schneidende, kalte Eiswind der dir die Schneekristalle ins Gesicht bläst. Du stösst dich ab und carvst die perfekten Hänge talabwärts. Jetzt kommt noch der Fahrtwind hinzu, der dir beinahe den Atem raubt. Trotzdem – für einen lauten Juchezer der von den umliegenden Bergen widerhallt reicht es immer noch.

Mein absoluter Lieblingswind aber ist – und jetzt kommts – die Ora! Immer wenn mir diese steife Brise am Gardasee um die Nase bläst, kommen wunderbare Erinnerungen in mir hoch und ich sehe mich im Sommer 1984 vom Camping Zoo zur Spiaggia delle Lucertole trampen. Damals gab es genau drei Sportkletterfelsen in und um Arco und die glatte und schier grifflose Plattentafel, die sich direkt aus den Wellen des Sees erhebt, war dazumal das Topgebiet. Mein Kumpel bei dieser Aktion war „Horror" Alfi Fachet aus Wien, der mich bei seine Art autozustoppen mehr als beeindruckte. Er stellte sich kurzerhand mitten auf die Straße und überredete den Piloten des, mit quietschenden Reifen zum Stillstand gekommenen, Vehikels uns zur Seewand mitzunehmen. Auf der Heimfahrt praktizierte er diese Methode auch in den unbeleuchteten Tunnels.

Die Ora lässt einen nie im Stich. Ziemlich genau um 14 Uhr beginnen sich die Büsche im ablandigen Wind zu biegen und es ist an der Zeit die Siesta an diesem brütend heißen Sommertag zu beenden und die Kletterpatschen zu schnüren um die guten Verhältnisse am Fels, die dieser Wind mit sich bringt, auch bestmöglich zu nutzen.

Wenn der Klettertag dann ganz genau so verlaufen ist, wie man ihn sich gewünscht hat, dann kommt man in Arco in den Genuss eines weiteren, ganz speziellen, Windes mit dem Namen Pele'r oder auch Vento.

Auch diesen Wind genieße ich im Ort meines Herzens und er erhebt sich erst in den späten Abendstunden. Dann nämlich, wenn ich mit meinen Freunden breit grinsend im Gastgarten des Cafe`Trentino sitze und wir eine letzte Runde Aperol Spritz odern.

Der Vento bläst bis in die frühen Morgenstunden, aber das kriege ich nicht mehr mit, weil ich da schon längst, laut schnarchend, vom kommenden Klettertag träume.

 

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