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18 Minuten Lesezeit (3664 Wörter)

Michael Füchsle: Vom Fels zum Rollstuhlfahrer und retour

Michael Füchsle: Vom Fels zum Rollstuhlfahrer und retour photo credit: Archiv Michael Füchsle

Name: Michael Füchsle

geb.: 28.12.1966

Wohnort: Bobingen (D)

Beruf: Profikletterer und Klettertrainer

Meine Erfolge:

Alpin:

Bitz Bernina Bianco Grat

Pitz Palü Überschreitung

Bellavista an einem Tag in 18 Stunden mit 12 Jahren.

Sportklettern:

1.Beg. Sogni all Ombra 10

1.Beg. Winterzeit 10

1.Beg. 5th Avenue9+

1.Beg. Brutalus Delictus 9 –

1.Beg. Fingerhut 9+

  • mehrere Wiederholungen bis zum 10. Schwierigkeitsgrad.

Wettkämpfe:

2.Platz im Gesamtworldcup 2017


Meine Geschichte:

Schon als kleines Kind nahmen mich meine Eltern immer wieder auf Wanderungen mit und als ich als Zehnjähriger im Tannheimer Tal zum ersten Mal Kletterer sah, war mein Interesse geweckt. Von meinem Taschengeld kaufte ich mir ein paar Felshaken und schlug diese in die Bäume des elterlichen Gartens.

Während eines Dolomitenurlaubes mit meinen Eltern kletterte ich erstmals auf einem richtigen Felsen herum und ich hämmerte dort auch gleich meinen ersten Haken hinein. Dieser steckt noch heute in einem Felsblock in der Steinernen Stadt am Sellajoch.

Ein abgebrochener Ast, der mich mit einem komplizierten Unterschenkelbruch ins Krankenhaus beförderte, stoppte vorerst meine Kletterambitionen.

Nach einigen Monaten Gips gelang es mir dennoch, meinen Vater zum Felsklettern zu überreden.

Ich war zwölf und wir beide hatten nicht die geringste Ahnung davon. Trotzdem fuhren wir nach Konstein um dort unsere ersten Versuche zu starten. Nach anfänglichen Misserfolgen wurden wir allmählich besser.

Bereits ein Jahr später hatten wir auch Eis- und Skitouren auf dem Programm. Mit meinem Vater stieg ich auf die Gipfel von Piz Palü und Bellavista und kletterte über den Biancograd auf den Piz Bernina. Bei Letzterem war ich der jüngste Besteiger den es dort je gegeben hat. Auf diesen Touren waren wir bis zu achtzehn Stunden am Stück unterwegs.

In meiner Begeisterung baute ich mir im Haus meiner Eltern sogar eine eigene, kleine Kletterwand und hörte mit dreizehn zum ersten Mal die Namen Wolfgang Güllich, Kurt Albert und Sepp Gschwendtner.

Diese drei deutschen Kletterer gehörten bereits damals zu den Besten der Welt und ich fragte mich: Klettern als Beruf? Geht das überhaupt?

Anscheinend funktionierte es. Dieser Gedanke ließ mich von nun an nicht mehr los. Obwohl ich erst in den unteren Schwierigkeitsgraden kletterte, stand mein Entschluss fest. Ich würde Profikletterer werden.

Mit vierzehn beendete ich meine Schulausbildung und erklärte meinen Eltern, dass ich keine Lehre machen werde, sondern mich als Profikletterer versuchen möchte.

Sie waren von dieser Idee verständlicherweise nicht begeistert, gaben mir aber für ein Jahr ihre Zustimmung. Sollte ich nach diesem Jahr kein eigenes Geld damit verdienen, so müsste ich mit einer Berufsausbildung beginnen.

Nun stand ich also da und benötigte eine Idee um mit Klettern Geld zu verdienen Da fiel mir ein, dass es noch keinen Kletterführer von Konstein, dem Gebiet wo ich das Klettern gelernt habe, gibt.

So fuhr ich einige Tage lang nach Konstein um dort die Felsen abzuzeichnen. Schließlich ging mein Topoführer den Druck.

Damit hatte ich meinen Eltern bewiesen, dass ich mit dem Klettersport Geld verdienen kann. Auch wenn es nicht zum Leben langte, waren sie zufrieden und unterstützten mich auch weiterhin. Rasch konnte ich durch konsequentes Training mein Kletterkönnen verbessern und ich bereiste Klettergebiete in Amerika und Europa. Auch Gebiete in Osteuropa standen auf meinem Programm und durch Wiederholungen von bekannten und schwierigen Kletterrouten wurde ich auch für die alpine Presse interessant und so konnte ich in weiterer Folge Sponsoren für mich gewinnen. Mein Lebensunterhalt war damit gesichert.

Bis zum meinem achtzehnten Lebensjahr lief alles wie am Schnürchen. Dann aber ging es mir gesundheitlich immer schlechter. Blutige Durchfälle bestimmten von nun an meinen Alltag.

Die ärztliche Diagnose lautete auf Collitis Ulcerosa, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung.

Meine Profilaufbahn war in Gefahr. Ich bekam Medikamente und musste meine Ernährung umstellen. Nach einem halben Jahr Pause konnte ich meinen geliebten Klettersport wieder aufnehmen. Ich steigerte mich abermals und konnte in den darauffolgenden Jahren etliche Wiederholungen und auch Erstbegehungen bis zum 10 Schwierigkeitsgrad in verschiedenen Ländern klettern.

Als in den späten achtziger Jahren Kletterwettkämpfe aufkamen war klar, dass auch ich mich mit anderen Athleten messen wollte. So nahm ich neben meinen vielen Kletterreisen auf der ganzen Welt auch an Wettkämpfen teil, wobei ich auch einige kleinere Bewerbe gewinnen konnte.

Mein Leben verlief wieder perfekt und meine Sponsoren gaben mir den nötigen finanziellen Rückhalt.

Ich veröffentlichte in den folgenden Jahren mehrere Kletterführer über die Klettergebiete in und um Cortina und Triest inklusive Slowenien und brachte die Kletterzeitschrift „On sight" heraus. Zusätzlich gründete ich die Bekleidungsfirma CIAN und unternahm sogar einen Erstbegehungsversuch an der Eiger Nordwand. Es wäre mir Sicherheit eine Route im zehnten Schwierigkeitsgrad geworden hätte nicht das Wetter umgeschlagen.

Im Jahre 2003 verschlechterte sich meine Krankheit plötzlich wieder. Ich konnte nicht mehr klettern und eine schlimme Zeit sollte für mich beginnen. Die Ärzte erhöhten meine Cortisondosis auf 100mg pro Tag um eine Linderung meiner Beschwerden zu erzielen du tatsächlich wurde es besser. An Klettern jedoch war nicht zu denken.

So ein Leben war für mich nicht mehr lebenswert und ich vernachlässigte alles, was ich bis dahin so gerne gemacht habe. Das wirkte sich natürlich auch negativ auf meine gegründeten Firmen aus.

DER GROSSE KNALL!!

Zwei Jahre lang sollte ich mit dieser erhöhten Cortisondosis leben. Bis zum September 2005, als in der Nacht 28. auf den 29.9. unerträgliche Schmerzen kamen.

Zu meinem Glück rief mich eine Bekannte am Morgen an und brachte mich sofort zu meinen Internisten nach Stadtbergen.

Dort begann für mich das Ringen mit dem Tod. Obwohl ich mich vor Schmerzen beinahe nicht mehr bewegen konnte, traf mein Arzt die größte Fehlentscheidung die ein Arzt jemals treffen konnte. Er untersuchte mich mit Ultraschall und kam zum Ergebnis, dass es nur Blähungen wären, die meine Schmerzen verursachten.

Er schickte mich und meine Bekannte wieder nach Hause. Dort legte ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer. Meine Schmerzen wurden stetig heftiger. Wie durch ein Wunder nahm sich meine damalige Freundin einen halben Tag frei und kam unerwartet früh nach Hause. Das sollte auch letztlich auch mein Leben retten.

14 Uhr: Die Schmerzen werden unerträglich. Wir rufen den Notdienst an, da mein Hausarzt Mittwoch nachmittags geschlossen hat. Dieser weigert sich zu kommen mit dem Argument er hätte keine Zeit und ich solle doch bis zum nächsten Tag warten. Dann hätte mein Hausarzt wieder geöffnet.

15 Uhr: Aufbruch ins Zentralklinikum. Notaufnahme. Ich muss warten.

16 Uhr: Endlich kümmert sich jemand um mich. Die Untersuchungen werden gemacht.

Schließlich die Diagnose:

Darmdurchbruch mit absoluter Blutvergiftung.

Der Arzt erklärt mir dass es eine lebensbedrohliche Operation werden wird. Teile meines Dick- und Dünndarms werden entfernt und vorübergehend erhalte ich einen künstlichen Darmausgang.

Was danach kommt weiß ich nur aus Erzählungen.

Ich wurde in den nächsten Tagen dreimal operiert, lag sechzehn Tage im Koma und musste künstlich beatmet werden. Mein ganzer Körper war vergiftet. In dieser Zeit kamen noch eine Lungenentzündung und Wasser hinzu. Aus meinen 63 kg Körpergewicht wurden in kurzer Zeit fast 100 kg. Das Wasser lagerte sich überall ab. Angeblich habe ich ausgesehen wie ein kleines Michelin Männchen und das Fieber stieg und stieg.

Ich träumte permanent und obwohl ich im Koma gelegen bin, kann ich mich noch an vieles davon erinnern.

Ich träumte, dass meine Freundin und ich einer tschechischen Diskothek sind. Auf einmal kommt die Polizei und will mich verhaften doch ich ergreife die Flucht durch einen dunklen Gang. Dumpfer Ton kommt aus diesem und er ändert die Farben rot – lila – grün in raschem Wechsel. Ich renne und renne bis ich auf einer kleinen Almhütte, wo es kein Wasser und keinen Strom gibt lande. Kühe grasen auf der Wiese und ich wurde mit einer deftigen Brotzeit und einem Schnaps begrüßt.

Nach sechzehn Tagen im Koma erwachte ich schließlich.

Ich war noch total im Delirium und spürte etwas im meinem Hals, wie wenn ich ein Würstchen verschluckt hätte. Dauernd kaute ich darauf herum. Wie ich später erfuhr war es der Schlauch für die künstliche Beatmung. Ich hatte schrecklichen Durst. Aber wie sollte ich das erklären? Ich konnte ja nicht sprechen!

Nach zwanzig Tagen wurde endlich die Beatmungsmaschine abgeschaltet und der Schlauch wurde entfernt.

Ich freute mich darauf, endlich was zu trinken zu bekommen. Doch weit gefehlt! Nur ein kleines Schlückchen gab man mir zu trinken. Da einige meiner Krankenschwestern aus Tschechien stammten, dachte ich, dass ich mich immer noch dort befinde und konnte gar nicht realisieren was passiert ist. Zu diesem Zeitpunkt war ich immer noch nicht über den Berg und es hieß, sollte ich überleben so sollten sich meine Eltern auf einen Pflegefall einrichten. Durch die Blutvergiftung und dem Koma war ich ab dem Hals abwärts komplett gelähmt und man nahm an, dass diese Lähmung bleibend sein würde.

Und es sollte noch schlimmer kommen! Das Wasser in meinem Körper ging zwar langsam zurück doch das hohe Fieber blieb. Dazu kam noch, dass sich meine Bauchwunde entzündete und die Ärzte schließlich die ganzen Nähte entfernen mussten so dass mein Bach aufklappte und eine ca. 10 x 15 cm große Wunde, die nicht mehr geschlossen werden konnte, entstand.

Nach vier Wochen Intensivstation war ich dann schließlich außer Lebensgefahr und konnte auf die Station verlegt werden.

Mein Bauch war immer noch offen un dich wurde an eine Vakuum pumpe angeschlossen. Diese hatte den Sinn, dass eine künstliche Haut erzeugt werden konnte.

Mein Körper war immer noch völlig gelähmt. Ich konnte nicht einmal meinen kleinen Finger bewegen.

Jetzt wurde mir das erste Mal klar, was es bedeutet, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Man musste mich füttern und waschen wie ein kleines Kind.

Ich musste jedes Mal nach den Krankenschwestern rufen wenn ich Durst hatte. Klingeln konnte ich ja nicht. Zum Glück gab es ja auch noch meine Eltern und meine Schwester. Meine damalige Verlobte machte noch im Krankenhaus mit mir Schluss weil sie Angst hatte, dass ich ein Pflegefall werden würde.

Meine Schwester kam regelmäßig mittags in Ihrer Mittagspause und fütterte mich. Meine Eltern kamen nachmittags und blieben bis zum Abend. Durch die vielen Infusionen und Blutabnahmen fanden die Ärzte schließlich keine Venen mehr. Also wurde beschlossen, dass ein Zentralvenenkateder gelegt wird.

Ich hatte große Angst vor diesem Eingriff. Mittlerweile war ich bereits 6 Wochen im Zentralklinikum. Das hohe Fieber hielt unvermindert an und aus den Drainagen kam pure Eiterflüssigkeit. Trotz allem musste ich so schnell wie möglich mit der REHA beginnen. Nach siebenwöchigem Aufenthalt wurde ich schließlich in die Fachklinik nach Enzensberg verlegt. Trotz hohem Fieber begann eine knallharte Krankengymnastik. Nach drei Wochen war ich soweit, dass ich zumindest wieder selbständig essen und trinken konnte. Nach etwa zehn Wochen Bettruhe wurde ich das erste Mal wieder aus dem Bett geholt und in einen Rollstuhl gesetzt. Doch mein Kreislauf versagte schon nach wenigen Sekunden und ich hatte das Gefühl mein Kreuz bricht auseinander. Mit eiserner Disziplin steigerte ich mich von Tag zu Tag.

Doch ein erneuter Rückschlag sollte wieder alles verändern. Ein Fistelgang hatte sich zwischen meiner Bauchwunde und den Drainagen gebildet. Es wurde bereits von einer neuerlichen Operation gesprochen, doch es wäre zu gefährlich gewesen da mein Körper noch zu schwach war für eine neue Narkose. Also gab es die nächste Zeit wieder absolute Bettruhe für mich. Ich fiel immer öfters in ein Tief und war bereits nahe daran mich aufzugeben doch die netten Pfleger bauten mich immer wieder auf. Das Jahr ging schließlich zu Ende und ein paar Tage vor Silvester konnte ich endlich das Bett verlassen. Ich war ehrgeizig und wollte unbedingt zur Silvesterfeier in die Cafeteria.

Es wurde ja auch mal Zeit etwas anderes zu sehen als immer nur die Zimmerdecke. Meine Pfleger aber meinten, dass ich das vergessen könnte, in meinem Zustand.

Da ich schon immer alles besser wusste, kämpfte ich. Ein Tag vor Silvester besuchte mich ein Freund. Man setzte mich in den Rollstuhl und seltsamerweise spielte mein Kreislauf sehr lange mit. Am nächsten Tag erklärten sich die Pfleger doch tatsächlich bereit, mich in die Cafeteria zu bringen, unter der Voraussetzung, dass ich sofort Bescheid gebe, wenn was ist. Um ein Haar hätte ich durchgehalten. Um 23:30 Uhr machte sich dann doch mein Kreislauf bemerkbar und man musste mich von der Party wegholen. So verbrachte ich den Jahreswechsel doch im Bett. In den nächsten Tagen hatte ich mir Hanteln bringen lassen sodass ich wenigstens meine Arme trainieren konnte. Auch stand ich nach sehr langer Zeit erstmals wieder auf meinen Beinen.

Schnell bemerkte ich, dass es noch ein sehr weiter Weg sein wird, bis ich meine ersten Gehversuche machen könnte.

Ich erinnerte mich an meine Profikarriere als Kletterer zurück und wusste, dass nur der eiserne Wille zählt. So kämpfte ich mich Stück für Stück zurück. Meine Krankengymnasten nannten mich nur noch Kampfsau.

Mein starker Wille führte mich abermals rasch zum Erfolg und nach einiger Zeit konnte ich meinen Rollstuhl abgeben und bekam einen Gehwagen. Einige Zeit später konnte ich auf diesen verzichten.

Endlich wurde mir auch die Vakuumpumpe entfernt. Der Bauch war zwar immer noch offen, doch die Ärzte konnten diese Entscheidung vertreten.

Am 1.4.2006 wurde ich in häusliche Pflege entlassen.

Es war schon ein seltsames Gefühl, nach sechs Monaten zum ersten Mal wieder Zuhause zu sein. Ich freute mich unglaublich darauf. Doch die Freude wurde getrübt als ich meine Wohnung betrat. Hatte meine Ex Freundin mir doch tatsächlich beinahe die ganze Wohnung leergeräumt! Ich besaß nicht einmal mehr ein Kopfkissen.

Auch spürte ich schnell, was es bedeutet, zuhause zu sein. Ich konnte zwar schon einigermaßen laufen aber das war es dann schon auch. Ich konnte nicht alleine in die Badewanne steigen und nicht einmal bücken war mir möglich.

Täglich ging ich zum Arzt um meine, immer noch offene, Bauchwunde versorgen zu lassen.

Das Versorgungsamt stellte bei mir 90% Schwerbehinderung fest. Die Wunde wurde immer kleiner bis zum Juni 06.

Der alte Fistelgang brach erneut auf und wurde wieder eitrig.

Auch meine Bauchwunde vergrößerte sich wieder.

Ein erneuter Rückschlag! Doch das sollte nicht alles gewesen sein. Ein weiterer Fistelgang bildete sich gerade auch noch dort wo es sehr unangenehm ist. Im Hinterteil!

2007:

Meine Bauchwunde und meine beiden Fistelgänge sind immer noch offen (wobei einer noch eitrig ist). Laufen kann ich gerade einmal ein paar Meter.

Bücken und lupfen ist aussichtslos. Vor dem Computer sitzen geht gerade einmal so für ca. 45 Minuten.

Das Ganze macht mich so fertig, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehe und anfange jeden Tag Alkohol zu trinken.

2008/ 09:

Ich finde zu meinem alten Leben zurück. Kein Alkohol mehr. Ich gehe wieder vermehrt raus und akzeptiere das Stoma.

Sollen die Leute doch denken was sie wollen!

2010:

Ich treffe meine jetzige Freundin Marion. Sie lernt mich mit meiner Behinderung kennen und es macht ihr nichts aus. Ein erneuter Rückschlag sollte mich dann Ende 2010 wieder zurückwerfen. Weitere Anal Fisteln bildeten sich. Mittlerweile waren es insgesamt zehn Stück, die jetzt unbedingt operiert werden mussten. Nach mehreren Operationen in Regensburg und München bekam ich auch das wieder in den Griff. Meine Freundin baute mich jeden Tag mehr und mehr auf.Laufen ging auch immer besser und 2011 flogen wir das erste Mal gemeinsam auf Urlaub nach Ägypten. So ein Badeurlaub ist eigentlich gar nicht mein Fall und ich hatte so etwas schon ewig lange nicht mehr gemacht. Dass ich ein Jahr später wieder mit dem Klettern beginnen sollte, ahnte damals noch niemand. Frühjahr 2012: Mit meiner Freundin wage ich eine Wanderung auf den Lusen im Bayrischen Wald. Eine zweistündige Tour. Wir benötigen allerdings alleine für den Aufstieg fast drei Stunden. Am nächsten Tag besuchen wir noch den Baumwipfelpfad. Am Parkplatz befand sich eine kleine künstliche Kletterwand und meine Freundin meinte „Versuche es doch mal! Komm! Auf geht's!" Also lege ich Hand an. Zum ersten Mal seit 2003 halte ich mich wieder an einem Grifffest. Schon nach wenigen Zügen sind meine Unterarme platt doch es macht Spaß. Ich machte mir Gedanken: „Sollte ich nochmals mit dem Klettern anfangen?"

 Nach etlichen Absprachen mit meinen Ärzten bekomme ich das ok, unter der Voraussetzung, starke Überhänge zu meiden und eine Bandage zu tragen. Ich machte mich also auf die Suche nach einer geeigneten Bandage für meinen Bauch. Auch das Stoma muss geschützt werden, da ja genau über dieses der Klettergurt läuft. Schließlich finde ich eine Firma die genau solche Bandagen herstellen. Nun steht nichts mehr im Wege.

Die ersten Kletterversuche:

Nachdem ich mir wieder Kletterschuhe und Klettergurt besorgt habe, geht es ab in die Kletterhalle. Schnell muss ich erkennen, dass die Kraft in den Fingern und Armen nicht mehr vorhanden ist.

Kein Wunder nach so einer langen Kletterpause.

Im August 2012 verbrachten wir unseren Urlaub in den Dolomiten. Genau dort wo ich damals meinen ersten Haken geschlagen habe. Wir wanderten und ich ging ein wenig zum Bouldern.

Es gelang mir meine Freundin zu überreden, doch auch mal das Klettern zu versuchen. Ihr machte es Spaß und so fuhren wir zwei Monate später an den Gardasee.

Durch konsequentes Training wurde ich wieder stärker und mein Gedanke war, warum sollte ich nicht Profikletterer mit Handicap werden?

So ging ich, wie schon am Beginn meiner Kletterkarriere, auf Sponsorensuche. Viele meiner alten Sponsoren fanden meine Idee so Klasse, dass sie mir prompt eine Unterstützung zusagten.

Mein Weg stand also wieder auf Erfolg.

Mit Marion besuchte ich 2013 viele Klettergebiete in Frankreich, Italien, Österreich, und Kroatien bis ich 2014 erfuhr, dass es auch Kletterwettkämpfe für Kletterer mit Handicap geben soll. Einen Internationalen Kletterwettkampf nochmals zu bestreiten, das wäre schon was, dachte ich bei mir.

Doch mein Kletterkönnen war noch nicht gut genug.

2014 verbrachte ich dann zusammen mit meinem Schatz viel Zeit in den verschiedensten Klettergebieten und steigerte mein Training nochmals auf 4-5 Mal die Woche.

Klettern und Trainieren mit Bleiweste war dabei mein Motto.

2015 der erste Internationale Wettkampf in Imst:

Ich meldete mich beim DAV, da man auf diesen Wettkämpfen nur mit einer internationalen Lizenz starten darf. Der Verband meldete mich an und so fuhr ich im Juni 2015 nach fast 15 Jahren Wettkampfpause nach Imst.

Die Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. War ich wirklich schon wieder gut genug um einen Wettkampf zu bestreiten ??

Die Aufregung war groß als ich an den Start ging.Nach Qualifikation und Finale war das Endergebnis ein 5. Platz. Nicht schlecht für den Anfang, dachte ich mir und ich entschloss mich noch an einem weiteren Wettkampf in England teilzunehmen der im September stattfinden sollte. Rasch war der Flug gebucht und ich reiste nach Sheffield, wo ich wieder einen guten 5. Platz belegen sollte. Ich überlegte wie es mit mir weitergehen sollte. Eigentlich wollte ich nur einmal noch einen Wettkampf erleben. Daraus wurden nun schon zwei und ich war auf jeden Fall noch steigerungsfähig.

Als ich hörte, dass 2016 eine Weltmeisterschaft in Paris stattfinden sollte, war für mich die Entscheidung gefallen. Eine Weltmeisterschaft fehlte mir noch in meiner Karriere. Im Winter 2015/16 tüftelte ich mir einen Trainingsplan aus und von Seiten des DAV bekamen wir Paraclimber auch einen Nationaltrainer zur Seite gestellt. Somit war auch eine Nationalmannschaft für Kletterer mit Handicap gegründet.

Im Jahr 2016 folgten die Wettkämpfe in Campitello (3. Platz) und ein 4.Platz Imst bevor es dannim September zur Weltmeisterschaft nach Paris ging. Ich war gut vorbereitet, fühlte mich fit und beendete diese mit einem sehr guten 5. Platz.

2017:

Über den Winter verschärfte ich mein Training nochmals und mein Trainingsplan sah vor, 5-6 Trainingseinheiten pro Woche zu absolvieren.

Ich besorgte mir eine 25 kg Bleiweste und einen Schlingentrainer.

Die ersten Erfolge ließen dann auch nicht lange auf sich warten.

Beim ersten Wettkampf in Erwald belegte ich gleich den 3. Platz.

Es folgten weitere Wettkämpfe:

Imst 3. Platz –

München 3. Platz –

Briancon 3. Platz –

Edinburgh 5. Platz –

Sheffield 2. Platz .

Durch die konsequenten Leistungen sicherte ich mir damit im Gesamtworldcup den 2. Platz.

2018:

Nach meinem Erfolgen in den letzten Jahren wollte ich noch einmal alles toppen. Es sollte ja möglicherweise mein letztes Wettkampfjahr werden. Dass dieses dann mit Pleiten, Pech und Pannen enden sollte, ahnte ich noch nicht.

Da im September die Weltmeisterschaft stattfand, arrangierte ich einen Privattrainer, der mich voll auf meine Höchstleistung trainieren sollte.

Im März wurde ich von der Stadt Ingolstadt für meine sportlichen Leistungen geehrt. Das Training lief auf Hochtouren bis zu einer Kletterreise nach Tschechien.

Dort fing ich mir eine Zecke ein, deren Biss sich entzündete.

Der erste Rückschlag! Ich bekam Antibiotika und musste drei Wochen pausieren.

Danach steigerte ich wiedermein Training. Im Juni dann schließlich der erste Wettkampf in Karlsruhe wo ich einen guten 3. Platz belegen konnte.

Ich fühlte mich wieder fit für die bevorstehenden Wettkämpfe im Juli in Imst und Briancon.

Die Zeit rückte näher und ich fuhr gut vorbereitet nach Imst. Dort belegte ich den 5. Platz.

Direkt im Anschluss und eine Woche vor dem World Cup in Briancon hatten wir vom Deutschen Nationalkader ein Trainingslager in Innsbruck.Dort verletzte ich mich genau drei Tage vor dem World Cup in Briancon.

In einer leichten Route machte ich eine komische Bewegung und es stach mir in die linke Bauchseite. Daraufhin wurde ich gleich ins Krankenhaus Innsbruck eingeliefert.

Diagnose: ein Muskel hatte sich zwischen meine Rippen geschoben und wurde gequetscht. Trotz starker Schmerzen fuhr ich nach Briancon und ging an den Start. Mehr als ein 8. Platz war aber einfach nicht drinnen.

Zuhause ging ich nochmals zum Orthopäden. Dieser riet mir auf jeden Fall 5 -6 Wochen Kletterpause einzulegen. Toll, dachte ich mir und das genau vor der Weltmeisterschaft.

Trotz allem fuhren meine Freundin und ich im August nach Lienz. Und nach fast 6 Wochen Pause legte ich wieder Hand an den Fels. Es blieb nicht mehr viel Zeit bis zur Weltmeisterschaft. Ich versuchte mein Training so gut wie möglich zu steigern. Doch mir war schon klar, dass die kurze Vorbereitungszeit für einen guten Platz nicht reichen würde, als ich im September nach Innsbruck fuhr.

Nach einem dummen Fehler gleich in der ersten Route war mein Ziel, wenigstens unter die Top 10 zu kommen, auch dahin. Mit einem 15. Platz beendete ich schließlich die WM.

War es jetzt mit dem Wettkampfklettern ? Ehrlich gesagt weiß ich es noch nicht genau aber sicher ist:

2019 möchte mich wieder verstärkt dem Felsklettern und dem Bouldern widmen. Da gibt es noch einige offene Projekte, die ich durch das Wettkampfklettern etwas vernachlässigt habe. Auch Erstbegehungen stehen nach langer Zeit wieder auf dem Programm...


Alle Photos:  Archiv Michael Füchsle

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Kommentare 1

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Johannes Mayer

am Freitag, 08. Februar 2019 22:13

Gratulation zum Durchhaltevermögen und den Erfolgen trotz der heftigen Rückschläge.
Danke für das Teilen der Geschichte.
Sehr anregend!

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Gratulation zum Durchhaltevermögen und den Erfolgen trotz der heftigen Rückschläge. Danke für das Teilen der Geschichte. Sehr anregend!