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6 Minuten Lesezeit (1210 Wörter)

Sonny's Geschichte -- Nord-Süd-Überschreitung des Grimming im Winter

Grüß dich! Wenn ich mich kurz vorstellen darf, mein Name ist Sonny. Irgend jemand hat den Namen Sony auf mich geschrieben, dabei aber ein 'n' vergessen. Mein Besitzer hat mich leider verloren, sodass ich nun alleine – aber nicht einsam – am Berg liege. Doch lass mich von vorne beginnen. Wenn du Zeit hast, möchte ich dir meine Geschichte erzählen. Sie handelt zunächst davon, wie ich hier zu liegen gekommen bin und wie meine Rettung schlussendlich ausgegangen ist.

Die Geschichte untermale ich mit Bildern eines Kollegen, der ebenfalls mit von der Partie war.

Am 26. Februar 2017 brach mein Besitzer mit einem guten Freund zu einer Skiüberquerung des Grimmings auf. Gut eingepackt in einer kleinen Tasche am Rucksack baumelnd, ging es auch für mich zeitig in der Früh in Kulm los. Schon von früheren Abenteuern weiß ich, dass es mir in regelmäßigen Abständen erlaubt ist, etwas durch die Linse zu blicken. Nach einem kurzen Waldzustieg durfte ich einen ersten Blick erhaschen. Im Hintergrund sah ich zwischen den Felsen die erste Steilstufe. Für mich war das natürlich alles sehr aufregend.

Es dauerte nicht lange, bis die Ski neben mir am Rucksack Platz fanden und die Steigeisen stattdessen ausgepackt wurden. Gleich ein kleiner Verhauer der Gipfelaspiranten bescherte ihnen eine anspruchsvolle Stelle. Die Eisgeräte kamen zum Einsatz. Ich konnte gar nicht so richtig hinsehen. Ein Foto musste ich aber trotzdem machen. Das habe ich aber gelernt: In allen Situationen ruhig sein und nicht zittern, sodass die Fotos immer schön scharf werden. Die Stelle war aber schnell überwunden und es ging einfach, aber trotzdem zunächst ohne Ski weiter.

Schon bald öffnete sich das Gelände. Zeit zum Durchschnaufen für die Bergsteiger und auch für mich. Die Ski kamen wieder vom Rucksack und ich hatte endlich wieder mehr Platz.

Es dauerte aber nicht lange und ich hörte wie die Alpinisten diskutierten, dass nun ein langer und steiler Anstieg folgend würde. Bis zum Gipfel ginge es wohl nur mehr zu Fuß.  

Während meine Begleiter sichtlich Spaß hatten, musste ich immer abenteuerliche Momente festhalten.  

Der Gipfelgrat, mit den abschließenden Schwierigkeiten im Aufstieg, war aber bald in Sicht. Durch meine Linse vernahm ich, dass das nicht mehr allzu weit sein werden würde.

Ein bisschen getäuscht hat das aber zunächst schon. Das viele hinunterschauen – einmal links und dann wieder rechts – war nicht so ganz meine Sache. Zugeben muss ich aber schon, dass trotz des nicht optimalen Wetters, die Aussicht atemberaubend war.

Es dauerte auch nicht lange und der Gipfel war in Sicht und auch gleich darauf erreicht. Die Ski wurden gar nicht mehr vom Rucksack genommen. Für mich wäre das aus Platzgründen natürlich wünschenswert gewesen. Aber beim Anblick des Gipfels war keine Zeit mehr, um die Aufstiegsmethode zu ändern.

Am Gipfel blies der Wind ordentlich. Ich durfte nur ganz kurz aus meiner Tasche, um einen Blick zu erhaschen. Atemberaubend war es schon, hier im Winter ganz oben zu sein. Ich merkte aber, dass sich Nervosität bei meinem Träger und seinem Partner breit machte. Es ging an die Abfahrt.

Von nun an durfte ich nicht mehr oft heraus. Einmal vernahm ich noch einen abenteuerlichen Grat der mit Skiern überwunden wurde. Dann wurde es relativ still.

Doch plötzlich kam ich wieder zum Einsatz. Die Skifahrer unterhielten sich über die sogenannte Aurinne. Angeblich sollte hier irgendwo die Abzweigung sein. Sie waren sich aber nicht sicher. So musste ich herhalten und die gesamte Szenerie festhalten. Ich vernahm auch die gesamte Diskussion der beiden. Anscheinend kannten beide die Abfahrt nicht – also richtig gut geplant wirkte für mich die ganze Aktion ja nun nicht mehr. Wenn ich die Bilder der Abzweigung in meine Erinnerung rufe, bin ich froh, dass sich die beiden nicht dafür entschieden. Mein Träger meinte, dass er den Sommerweg durch die Schneegrube und den Kasten gut kenne. So beschlossen die beiden diese Variante zu wählen. Ich durfte dabei aber nicht heraus. Die Abfahrt verlangte viel an Konzentration. Da war keine Zeit für mich. Hier ein Foto eines anderen Bergsteigerteams bei schönem Wetter von der Steilstelle. Die Abfahrt ist eingezeichnet.

Danach ging es wieder etwas gemütlicher weiter. Bei jedem Schwung mit den Skiern flog ich hin und her. Immer nur kurz, aber dafür sehr intensiv. Irgendwie war ich froh, als ich merkte, dass die Ski wieder am Rucksack befestigt wurden. Die nächste Steilstufe war zu überwinden. Dieses Mal gingen sie etwas weiter zu Fuß. Mir schien aber, dass jeder Fahrmeter den es irgendwie gab, mit Skiern genutzt wurde.

Plötzlich vernahm ich nur mehr den Schrei „Firn!" und ab ging die Post. Ich hörte und fühlte nur mehr „Wusch, Wusch, Wusch, ...". Doch schon bevor das Echo eines lauten Juchizers verhallen konnte, war schon wieder Stopp angesagt. Latschenkampfklasse 4 stand bevor. Zuerst die Ski, dann der Rucksack und zu guter Letzt die zwei, schon etwas müden, Alpinisten. Hier durfte ich noch einmal herhalten und habe wahrscheinlich mein letztes Fotos für sehr lange Zeit gemacht. Außer Geäst und der etwas genervte Blick eines Alpinisten ist darauf aber nicht zu erkennen. Danach ging es aber schon wieder weiter – „Wusch, Wusch, Wusch, ..."; eine kurze Leiter wurde überwunden und „Wusch, wusch, wusch, ..."

Doch auf einmal – Peng! In einem großen Bogen flog ich aus der Tasche und in den weichen Schnee. Das ging so schnell, dass ich gar nicht Aufblitzen oder zumindest Biepsen konnte. Als ich den Schreck halbwegs verdaut hatte, hörte ich in der Ferne nur mehr ein leises „wusch, wusch". Dann wurde es bald finster. Von nun an verbrachte ich viele Tage und Nächte am Berg, immer in der Hoffnung, dass jemand mich finden würde.

Vor ein paar Tagen, war es dann soweit. Im strömenden Regen ganz zeitig in der Früh hörte ich, wie sich jemand näherte. Mittlerweile war der ganze Schnee weg und ich lag im dichten Gestrüpp. Der näher kommende Mann hatte ganz schön zu kämpfen, wegen des dichten Geästs. Schon bald konnte ich sein Fluchen vernehmen. Kein Zweifel, diese Fluchen kannte ich schon von der letzten Latschendurchquerung bei der Skiabfahrt. Mein Besitzer war gekommen, um mich zu suchen! Immer wieder kam er ganz knapp bei mir leise fluchend vorbei. Einmal stieg er sogar fast auf mich darauf. Gesehen hat er mich aber leider nicht. Irgendwie spürte ich es schon und es war dann auch so. Ich wurde nicht gefunden und mein Besitzer zog enttäuscht von dannen. Nun liege ich wieder ganz alleine am Berg. Auch wenn das vielleicht etwas traurig klingt, fühle ich mich nicht so. Wenn das Wetter schön ist, gibt es viel zu beobachten und in sternenklaren Nächten ist die Aussicht wunderschön. Wenn ich mich einsam fühle, kann ich in meinen Erinnerungen schwelgen. Gespeichert habe ich davon unzählige. So fühle ich mich nicht einsam. Und falls du einmal in der Au am Grimming unterwegs bist, halte kurz inne. Vielleicht kann ich dich ja auch in meine Erinnerung aufnehmen.

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Kommentare 3

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Gerit Gradwohl

am Dienstag, 22. Dezember 2020 12:01

Herzerwärmende/zerreissende Geschichte!
Aber ich hab viiiel zu lange gebraucht um den Eingangsschmäh Sonny/Sony zu checken

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Herzerwärmende/zerreissende Geschichte! Aber ich hab viiiel zu lange gebraucht um den Eingangsschmäh Sonny/Sony zu checken :D

Stefan Gruber

am Dienstag, 22. Dezember 2020 16:24

Danke für die schöne Rückmeldung!

  • 0
Danke für die schöne Rückmeldung! :)

michael kraeftner

am Donnerstag, 14. Januar 2021 13:02

Aus dem Auge des- ohnehin immer präsenten- Beobachters geschrieben! Echt toll!

  • 1
Aus dem Auge des- ohnehin immer präsenten- Beobachters geschrieben! Echt toll! :o