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6 Minuten Lesezeit (1236 Wörter)
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Auf Luzifers Trottoir - Teufelsspaziergang (Höllmauer/Hochschwab)

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Jedes Mal, wenn ich den neuen Hochschwab-Kletterführer durchblättere, bleibe ich bei einer bestimmten Seite hängen, und zwar der allerletzten. Als finale Zierde krönt den Einband ein spektakuläres Foto vom Teufelsspaziergang in der Höllmauer. Eine (beinahe) Clean-Linie, die „große Cams schluckt", wie es lieblich im Topo beschrieben wird, da muss ich definitiv hin. Und für so eine Unternehmung kommt natürlich niemand geringeres in Frage als mein Partner für Heikles, Bernd.

Da ich in naher Zukunft eher mit Kammerlander-Touren als mit Routen im Hochschwab Vorlieb nehmen muss, war klar, dass wir den Teufelsspaziergang jetzt oder nie (oder halt irgendwann anders) machen müssten. Nachdem wir im Frühling schon auf einem anderen markanten Riss(kamin)-Klassiker aufgewärmt hatten, wo es auch einen kurzen Körperriss zu erklettern galt, gab es eigentlich keine Ausreden mehr. Wir hofften trotzdem, dass uns etwas weniger Bruchhaufencharakter erwarten würde als in der direkten Südwand (Schinko) des Festlbeilsteins.

Am dritten Schönwettersommertag in Folge machen wir uns also auf in Richtung Seewiesen mit dem guten Gefühl, dass wenn die Risse jemals trocken sind, werden sie es heute bestimmt sein. Schnellen Schrittes überholen wir die Wanderer vor uns, wie immer mit leichtem Stress, dass jemand anders vor uns in „unsere" Route einsteigen könnte. Wie immer stellt sich diese Paranoia als komplett unbegründet heraus und wir kommen in Kürze mutterseelenallein am Wandfuß an. Da sich unsere Rucksäcke verdächtig leicht anfühlten, kommt die ungute Vermutung auf, etwas vergessen zu haben. Aber als uns nach kurzer Materialdurchsicht alle big boys feierlich begrüßten, einigten wir uns darauf, dass es wohl an den fehlenden Bierflaschen liegen muss.

Da ich meine Vorstiegsmeter an diesem Tag auf ein Minimum begrenzen möchte, rechne ich mir durch akribisches Studium des Topos aus, wie dies im überschlagenden Kletterstil am Besten funktionert und erfeilsche mir dadurch die Schlüsselseillänge und schenke Bernd somit den Kaltstart und den botanisch-brüchigen Abschlussrunout. Interessanterweise schien er über diese Aufteilung ganz glücklich zu sein, was mich etwas an meinen Verhandlungskünsten zweifeln ließ.

Auch die 1. SL beschert nur wenige Schattenmeter.

Gesagt, getan. Also startet Bernd gleich Mal in den nicht ganz trivial zu lesenden Einstiegssechser. Immerhin ist im Hochsommer von „kalt" heute keine Rede. Während Bernd auf die kühlende oben-ohne-Taktik setzt, trage ich lange Ärmel und Kragen um meine nordische Haut vor der gleißenden Sonne zu schützen. Die Sonne muss auch den Draht der Klemmkeile auf sengende Temperaturen erhitzt haben, denn plötzlich fiel ein Schauer von passiven Klemmgeräten auf den Standplatz herab. Erst einer, dann zwei weitere. Der Teufel versuchte uns bereits in der ersten Seillänge einen Streich zu spielen, und er würde auch nicht davon ablassen, wie sich später herausstellen sollte. Unbeeindruck von dem Schabernack überklettert Bernd nach etwas hin und her mit der Sicherheit einiger bombiger Placements den Kaltstart und kann den kompakten oberen Wandteil noch bis zum Ende genießen. Ich packe die gefallenen Keile ein und mache mich auf, um einen meiner zwei Vorstiege hinter mich zu bringen.  

Zeit für die big boys! Das superraue Rissinnere der 3. SL dürfte wohl immer etwas nass sein.
Nette Klettermeter zum Beginn der 2. SL.
Die zweite Seillänge klingt von unten bis oben etwas hohl, die Kletterei ist aber deutlich leichter als in der ersten. Selbst die gleich schwer bewertete Untergriffquerung zu Beginn ist sehr gutmütig und recht lustig zu klettern. Im oberen Teil ist die Kletterei zwar sehr einfach, durch meinen Fokus auf die brüchigen Blöcke vergesse ich aber sogar einmal das Seil in meinen gelegten Friend einzuhängen. Doch auch diese Tricks Satans waren Vergebens und die dritte Seillänge türmte sich vor uns auf.

Entgegen unserer Hoffnung war das Innere des Risses waschelnass, was uns zu der Erkenntnis brachte, dass er wohl immer nass sein würde. Es ist zwar etwas unangenehm, aber dank der enorm wasserzerfressenen Oberfläche lässt sich der Riss trotz Nässe ganz gut klettern und auch recht gut absichern, sofern man die big boys auch tatsächlich mitgenommen hat. Während Bernd sich noch immer oben-ohne in den scharfen Riss zwängt, hab ich erstmals Bedenken ob der Gesundheit meiner feinen Haut und stülpe mir für den Nachstieg sicherheitsalber die Risshandschuhe über. Auch wenn in dieser Seillänge viel über die Füße gelöst wird, hat die zweite Haut auf den Handrücken zumindest die Hemmschwelle für schlatzig-nasse Klemmer gesenkt. Nach geschafftem Aufwärmriss bleiben die Handschuhe aber erstmal an, denn jetzt bin ich an der Reihe, meinen Wert für diese Unternehmung unter Beweis zu stellen.

Die letzten schwierigen Züge der 4. SL.

Die Linie ist eindeutig: einfach den steilen Riss hinauf. Gleich vom Stand weg beginnt die Kletterei, keine Schrofenmeter zur Einstimmung. Drei Züge, gut positionieren, Placement, wiederholen. Kein Zug ist komplett geschenkt, die unregelmäßige Natur des Risses macht das Lesen nicht ganz einfach, die Rastepositionen verlangen immer Spannung von zumindest einer Extremität, dafür sind die Placements richtig gut und so ziemlich durchgehend legbar. Als ich gerade dabei bin, mein 25stes Placement zu legen, trifft mich des Morgensterns Lichtblitz und alle Klemmkeile entgleiten meiner Hand. Und es wäre nicht des Teufels Werk, wenn sich nicht alle Keile einzeln Richtung Wandfuß verabschiedeten. Dies befeuerte allerdings nur weiter meine Motivation das Fegefeuer der Höllmauer in einem einzigen Anlauf dem Engel des Lichts persönlich in den Allerwertesten zu schieben. Und so fand ich mich bald darauf, unter Opfer meines Merinoleiberls, am Stand vor der letzten Seillänge. Auch wenn Bernd mittlerweile sein T-Shirt des Sonnenschutzes wegen wieder angezogen hat, bin ich jedes Mal verwundert, wie er es immer wieder erfolgreich schafft, Risse zu meiden und lieber an abschüssigen Leisten aussen herumbouldert. Der Bua hat halt einfach Strom! Der Bohrhaken in der Mitte der Seillänge ist an keiner neuralgischen Stelle, die schwierigsten Züge sind etwas darunter und 4 m darüber. Auch wenn ich mich freute, inmitten dieser Seillänge ganz unkompliziert einen Bohrhaken zu clippen, so konnte ich aus der Rastposition, von der man am Besten clippt, mehrere Bombenplacements im Riss versenken. Der Haken hat somit quasi keinen Einfluss auf den Klettercharakter dieser Seillänge und ich bin mir nicht ganz sicher, welchen Zweck er erfüllt. Und da ich ihn nicht verlängert habe, zerstört er auf den Fotos meinen perfekten Seilverlauf. First world problems... ? 

POV: Risskamera.
In der 5. SL gibt's noch einige coole Klettermeter zum Abschluss.

Jetzt lag es nur noch an Bernd die letzte Seillänge mit dem botanisch-brüchigen Abschlussrunout herunterzuspulen und den Onsight heimzubringen. Nach kurzer Unsicherheit ob der richtigen Linie, weil ich vom ungemütlich rotierenden Hängestand zu laut das Topo misinterpretierte, entschied sich Bernd zum Glück einfach der logischen Linie zu folgen (was logischerweise eh richtig war und im Nachhinein gesehen eigentlich auch aus meiner Position vom Topo so lesbar gewesen wäre). Da wir bei dem botanisch-brüchigen Runout etwas Vergleichbares zur 2. Seillänge der Schinko auf den Festlbeilstein erwarteten, waren wir sehr positiv überrascht vom vorgefundenen Gelände. Es ist eben alles nur eine Frage der Erwartungshaltung. ?

Vom komplett freien Durchstieg seines Spazierweges sichtlich befriedigt, erwartete uns Luzifer höchstpersönlich mit einem Präsent am Wandfuß. 9 der 10 verlorenen Klemmkeile sollten wieder in unseren Besitz übergehen, nur einen Keil behielt er sich als Tribut ein. Aber es soll auch schlechtere Deals mit dem Teufel geben, hab ich gehört. Am Ende des Tages kann ich mit meinen Verhandlungskünsten also doch durchaus zufrieden sein. ?

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Kommentare 2

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Chri Leitinger

am Mittwoch, 17. August 2022 10:18

Sauber, Gratulation zum Durchstieg! Lässig, dass diese schöne Linie geklettert wird.

Die Sinnhaftigkeit des Zwischenbolts in der Schlüssellänge hat sich uns auch nicht ganz erschlossen. Da wo er steckt braucht es ihn nicht, aber weil er da ist klippt man ihn halt.

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Sauber, Gratulation zum Durchstieg! Lässig, dass diese schöne Linie geklettert wird. Die Sinnhaftigkeit des Zwischenbolts in der Schlüssellänge hat sich uns auch nicht ganz erschlossen. Da wo er steckt braucht es ihn nicht, aber weil er da ist klippt man ihn halt.

Gerit Gradwohl

am Mittwoch, 17. August 2022 17:37

Danke!
Die Route verdient definitiv mehr Begehungen!

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Danke! Die Route verdient definitiv mehr Begehungen!