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5 Minuten Lesezeit (1090 Wörter)

Die Pantalone

Die Pantalone

Mode hat es im Klettersport immer schon gegeben. Auch wenn es zu Beginn meines Klettererdaseins Gentic noch nicht gab und E9 schon gar nicht, so gab es doch immer wieder eine gewisse Art von Dresscode , der nicht nur mich, sondern sicherlich auch alle anderen Kletterer in der Auswahl ihrer Klamotten beeinflusst hat.

Sommer 1977. Reinhold M. kletterte mit Schlaghosen aus braunem Schnürlsamt in den Dolomiten. Free solo. Wie er bei diesen Stulpen die kleinen Trittkäntchen treffen konnte, ist mir bis heute ein Rätsel. Sehen konnte er seine Bergschuhe nämlich auf gar keinen Fall und wenn er noch so angestrengt nach unten blickte. Ebenso rätselhaft war mir allerdings auch die Sinnhaftigkeit seines Kletterhammers, der in seiner Gesäßtasche steckte. Der Mann war seilfrei unterwegs! Ohne Klettergurt und Karabiner. Wozu um alles in der Welt also der Kletterhammer?

Ich kletterte auch in Schlaghosen. Kackebraun. Aus Schnürlsamt. Ich ging immer mit der Zeit.

Die richtige Geburtsstunde für moderne Klettermode schlug kurz darauf. Der Münchener Andreas K. war auf der Titelseite der damaligen Nr. 1 unter den deutschsprachigen Klettermagazinen – dem Alpinismus. Und was hatte er an? Eine weiße Malerhose! Das Teil sah ultimativ supercool aus. Eine Ausgabe später kletterte schon Wolfgang G. in Weiß. In den Dolomiten turnte die junge Tiroler Kletterelite in nie für möglich gehaltenen Zeiten, im Rotpunktstil, durch die großen Klassiker. In ihren weißen Malerhosen waren sie weithin sichtbar und jedem Wanderer gelang es mühelos ohne Fernglas ihren Aufstieg zu verfolgen. Für Baumärkte war es das Geschäft des Jahrtausends.

Die Sportkletterpioniere des Grazer Berglandes sprangen auf den Zug auf. Ernst und Roman G. waren ganz in weiß. Matthias L. ebenso. Beim Thomas H. war ich mir nie so sicher. Wenn dessen Hose irgendwann einmal weiß gewesen war, dann wohl lange bevor ich ihn kennenlernte. Der Einzige, der bereits diesen ersten, wichtigen Schritt in Sachen Klettermode konsequent nicht mitmachte, war Sepp L. Der kletterte in seiner grauen Rettungshose, die er beim Zivildienst entgegengenommen hatte. Die ganzen Jahre über sah ich ihn immer nur mit diesem grauen Teil. Ob am Ratengrat , in der Hundswand oder bei einer Schitour durch das Rauchtal. Die Hose schien unverwüstlich zu sein und begleitete ihn auch durch die Bigwalls des Yosemite Valleys.

Ein oder zwei Saisonen lang waren Malerhosen das Um und Auf. Bis dann irgendwann jeder, der auch nur ein wenig klettern konnte, mit so einer Hose am Fels ankam. Für die Elite war es nun an der Zeit Veränderungen herbeizuführen.

Ernst und Roman tauchten plötzlich mit grünen Gärtner-Latzhosen auf und die glorreichen Sieben aus Kapfenberg kleideten sich in die orangene Müllfahrerarbeitskluft. Fortan waren sie bestenfalls die glorreichen Müllschlucker.

Ich entdeckte bei meiner angestrengten Suche nach Alternativen eine Hose im Katalog eines großen Grazer Kaufhauses. Sie war weiß. Mit Bündchen an den Knöcheln, einem Gummizug um die Mitte und mit großen , roten Punkten. Passend zu den Stilen der Zeit – Rotpunkt, Rotkreis, Rotkreuz oder was auch immer. Schon am nächsten Tag drehte ich die dortige Sportabteilung über, auf der Suche nach „meiner" Hose. Nur – sie war ganz einfach nicht zu finden. Eine nette Verkäuferin brachte mir den Katalog – nach kurzem Blättern wurde ich fündig. „Hier", sagte ich triumphierend zu ihr und zeigte ihr das Foto. Ein weibliches Model. Bauchfrei. Sie trug eine weiße Hose mit roten Punkten. Die Gesichtszüge der zuvor so skeptisch dreinblickenden Verkäuferin hellten sich auf. „Den Gang hinunter", wies sie mich ein, „dann rechts – Umstandsmodenabteilung!"

„Wie bitte?"

„Das ist eine Umstandshose."

„Verdammt!"

Nie und nimmer würde ich mich dazu überwinden können eine Kletterhose in der Umstandsmodenabteilung zu kaufen. Es kostete mich viel Mühe die Verkäuferin davon zu überzeugen, dass sie mir die Hose bringen sollte. Letztlich hatte ich Erfolg.

Die Hose trug ich exakt ein Mal. Nachdem ich damit zuerst bei einem Rotpunktversuch im Leobnerriss an der Schartenspitze abgestunken bin, wurde ich anschließend auf der Fölzalmhütte auch noch damit ausgelacht. Es war ein Misserfolg auf ganzer Linie. Ich ersetzte das Teil durch eine giftgrüne Adidas Hose.

Es war Anfang der Achtziger Jahre und die alteingesessenen Gruppierungen im Grazer Bergland wurden um eine weitere bereichert. Es war eine eingeschworene Clique aus dem oberen Murtal. Allen voran Franz F. und sein Kumpan Franz N. Zweiteren nannten wir Newbaker in Anlehnung an den amerikanischen Kletterstar John Bachar. Njuki als Kurzform setzte sich schließlich durch.

Ich kletterte oft und gerne mit ihnen. Vor allem brachten sie neue Ideen ein. So war es wichtig an einem Klettertag besser auszusteigen als die anderen. Ob man letztlich irgendwo oben ankam, war nicht das Wesentliche. Hauptsache man konnte die Griffe am besten halten oder traute sich als Einziger bei manch angsteinflößendem Hakenabstand hinauf. Um sich für diese Spielchen eine gute Ausgangsposition zu schaffen, beugte man oft schon am Zustieg vor. Man nutzte den schweißtreibenden Aufstieg dazu um den Kontrahenten mit gezielten Wortspenden schon so derartig zu verunsichern, dass er bereits völlig entnervt am Fels ankam und sich schlussendlich weit unter Wert geschlagen geben musste. Ich liebte diese strategische Kriegsführung und im Nachhinein betrachtet, war ich bestimmt einige Male nicht ganz bei der Wahrheit, nur um als Sieger aus solchen Duellen hervorzugehen.

Was die Klettermode betraf: In Italien begann sich zu dieser Zeit zaghaft die „Pantalone" zu etablieren. Knallenge Lycras in psychedelischen Farben und Mustern. Wir waren uns einig. Niemals Pantalone!

Eine Woche vor unserem Arco Urlaub kletterte ich mit Franz F. in der heimischen Arena. Als wir zum Auto zurückkamen, wurde seine Stimme leise und geheimnisvoll. Er habe, so erzählte er mir, für seine Nichte selbstverständlich, eine Pantalone gekauft. Einmal allerdings, ein einziges Mal nur, werde er sie tragen. Am ersten Tag in Arco. Er zeigte mir die Hose. Sie war blau mit roten Herzen. Franz rieb sich vor Vorfreude die Hände und sagte grinsend:

„Wenn mi der Njuki so sieht – i sog dir, des mocht´n so fertig, dass er die gaunze Wochn nimmer vom Bodn obhebt."

Eine Woche später trafen wir uns in Arco. In der Pizzeria Pace. Njuki war mit seiner Frau schon vorausgefahren um die Lage zu peilen. Es wurde ein schöner Abend mit Pizza, Rotwein und jeder Menge lustiger Geschichten. Irgendwann musste Franz F. aufs WC. Kaum war er um die Ecke verschwunden, zauberte Njuki ein Sackerl vom Gobbi Sport auf den Tisch. Mit einem breiten Grinsen packte er es aus. Zum Vorschein kam eine Pantalone. Scheußlich gelb-blau gestreift mit Palmen drauf.

„ Burschen" sagte er zu uns und konnte sich kaum halten vor Lachen. „De ziag i morgn aun am Fels. Wenn mi der Fraunz so sieht –i sog eich, des mochtn so fertig, dass er die gaunze Wochn nimmer vom Bodn obhebt.

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Kommentare 2

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Michael Gattol

am Samstag, 04. Februar 2017 10:28

sehr cool
tja gute Freunde haben des öfteren die gleichen Ideen

  • 1
sehr cool :D tja gute Freunde haben des öfteren die gleichen Ideen ;)

Rob Harbert

am Freitag, 14. Dezember 2018 18:05

Ja die knallengen Lycras, alle hatten sie so um die 90 er Jahren an. Sehr farbenfroh knallig und für das Auge nicht immer erfreuend. Ich hatte auch mehrere meine letzte war knallig rot mit Steinböcke drauf. Werde von Freunden noch heute daran erinnert. Zum allgemeinen Gelächter der anderen.?????. Aber es war eine Farbenfroh Zeit. Die ich nicht missen möchte.

  • 0
Ja die knallengen Lycras, alle hatten sie so um die 90 er Jahren an. Sehr farbenfroh knallig und für das Auge nicht immer erfreuend. Ich hatte auch mehrere meine letzte war knallig rot mit Steinböcke drauf. Werde von Freunden noch heute daran erinnert. Zum allgemeinen Gelächter der anderen.?????. Aber es war eine Farbenfroh Zeit. Die ich nicht missen möchte.