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7 Minuten Lesezeit (1460 Wörter)

GBL History - Peggauer Wand

Modeselektor_11-/11 Photo credit: Archiv Armin Buchroithner
Gateway fb 8b; photo credit: Archiv Armin Buchroithner

Ich saß im Personenzug von Graz nach Bruck. Soeben hatte der Schaffner mit einem schrillen Pfiff das Signal zur Abfahrt gegeben, als er plötzlich den Start abbrach. Neugierig geworden schaute ich aus dem Fenster und entdeckte einen jungen Mann der mit einer Aluminiumstehleiter auf der Schulter die Treppe zum Bahnsteig hocheilte. Mein Gesicht verzog sich zu einem freudigen Grinsen. Ich sprang auf, schob das Waggonfenster nach unten und winkte dem jungen Mann zu. "Hey Christoph!"

Wenige Augenblicke später ließ sich Chrstoph Grill, nachdem er die Stehleiter im Gepäcksnetz verstaut hatte, keuchend neben mir in den Sitz fallen. 

Während der Fahrt erzählte er mir, dass er nach Peggau fährt, um dort zu bouldern. Die Stehleiter bräuchte er um Griffe und Tritte zu putzen die er vom Boden aus nicht erreichen kann. Ich glaubte zuerst an einen Scherz als er mir zeigte, wo seine Boulderhöhle wäre. Mitten in der mächtigen Wandflucht, die das Murtal ostseitig begrenzt, war ein Höhlenportal zu sehen. Über einen alten Steig mit Treppen und Geländern erreichbar, war die "Sechserhöhle" vor knapp hundert Jahren eine Phosphatabbaustelle und später beliebtes Ausflugsziel der einheimischen Bevölkerung. Mitte der Achtziger Jahre wurde die Höhle von Archäologen nach Spuren urzeitlichen Lebens untersucht. Und nun war es Christoph, der die Höhle zu neuem Leben erweckte.

Sechserhöhle (Peggauer Höhle)

Christoph Grill entdeckt die sogenannte Sechserhöhle für den Bouldersport. Anstelle der heutzutage üblichen Crashpads schützt ihn lediglich eine 12 mm starke Isoliermatte bei Stürzen auf den Boden. Dennoch gelingen ihm mit "Höhlentraverse (fb8a)" und der "Rechte Untergrifftraverse (fb7c+)" die zu ihrer Zeit mit Sicherheit schwierigsten Boulderquergänge Ostösterreichs. Der Grazer Biologiestudent Klaus Ksander ist der Erste, der Christophs Traversen wiederholen kann. 

Im Februar 2000 erhalten die beiden Boulderer Besuch vom jungen Grazer Armin Buchroithner. Er löst binnen weniger Minuten ein Langzeitprojekt mit einem giftigen Zweifingeruntergriff, der schon etlichen Aspiranten mit ernsthaften Ringbandverletzungen abgewehrt hat. "Stinkende Römer" (fb7c)

Nach diesem raschen Erfolg wendet sich Armin einem weiteren ungelösten Problem zu - 

Für "The night everything went wrong" fb8a+ benötigt er mehrere Sessions. Es ist das zu ihrer Zeit schwierigste Boulderproblem in der Höhle.

In der Folgezeit wird die Höhle der Hotspot der Grazer Boulderszene. Speziell im Winter hat man, wolkenlosen Himmel vorausgesetzt, perfekte Verhältnisse. Auch wenn es unten im Tal 15 Grad minus gibt, kann man in der Höhle bei besten Temperaturen im T-Shirt klettern.

Es gab Zeiten, in denen immer jemand dort oben anzutreffen war.

Die Protagonisten zur Blütezeit waren:

Stefan Endler, Jörg Robl, Tom Wagner, David Schickengruber, Markus Jantscher, Christoph Grill, Klaus Ksander, Harald Penasso, Bernd Ortner, Heimo Ortner, Armin Buchroithner, Stefan Hofer, Ed Smigelskis, Bene Hacker, Robert Zaghloul, Andi Matuska, Stefan Köchel, Joe Daxbacher, Günther Bryjak, Santiago Lena de Terry, Tom Schuller, Lea Kerschbaumer. 

Der Oberösterreicher Paul Rechberger eröffnet "Tutto Gas" (fb8a) und verbindet die "Höhlentraverse mit der oberen Höhlentraverse (ein Projekt von Stefan Endler) und gibt ihr den Namen "Panoptikum" (fb8a+). 

Christoph Grill gelingt eine Kingline im Zentrum der Höhle mit Stehstart "Der Bruder des kleinen Nichts" (fb7c). Diesem Boulder wird später ein Sitzstart hinzugefügt. (fb7c+). Anlässlich eines Kurzbesuches wird er vom Zillertaler Kletterstar Gerhard Hörhager in wenigen Minuten geknackt.

Der Salzburger Christoph "Goofy" Rehrl bouldert direkt aus dem Inneren der Höhle über den horizontalen Planfond. (fb7c).

Zu diesem Boulder wird mittels einer kleinen Rechtsschleife eines der mittlerweile beliebtesten Probleme gefunden. Die "Mädchenvariante" (fb7a)

Benedikt Hacker kombiniert 3 Traversen zur "Kompletten Höhlentraverse von links nach rechts sd" (fb8b),

"The Gateway" fb8b, ist ein Boulder von Paul Rechberger im Inneren der Höhle Er benötigt ausser Körperspannung und starker Finger auch eine Stirnlampe. Wiederholt wird dieses Highlight vom Südafrikaner Ed Smigelskis und von Armin Buchroithner.

Im März 2017 sorgt die 16jährige Grazerin Lea Kerschbaumer für Aufsehen. Sie klettert innerhalb kurzer Zeit als erste Frau die "Höhlentraverse" (fb8a) und den "Bruder des kleinen Nichts" (fb7c+).

Selbst Klem Loskot aus Salzburg besucht die Höhle und hakt innerhalb eines Nachmittags den größten Teil der Boulder ab.

In den letzten Jahren werden schließlich eine Vielzahl von Varianten und Kombinationen geklettert. Treibende Kräfte bei diesen Puzzles sind Armin Buchroithner und der Bayer Christian Münch.

Seilklettern

Christoph Grill bohrt auch 3 Seilkletterrouten direkt über das Höhlenportal ein.

Das linke Projekt von Christoph führt geradewegs mitten durch die scheinbar völlig stukturlose Höhlendecke. Diese Linie wird von Klemens Loskot genauer unter die Lupe genommen. Er hält sie für kletterbar, sich selbst dafür aber schlichtweg als zu schwach. Interessanterweise wird Klemens zur gleichen Zeit (2000) vom amerikanischen Climbing Magazine zum aktuell besten Boulderer/Sportclimber der Welt gekürt.

Die mittlere Linie wird 1999 von Armin Buchroithner erstmals Rotpunkt geklettert. "You spin me around" (10+). Vermutlich gibt es bis dato keine Wiederholung.

Das rechte Grill Projekt ist noch nicht geknackt.

Armin Buchroithner erschließt im linken Bereich des Höhlenportals 3 neue Routen mit Schwierigkeiten von 8- bis 8+/9-.

Weites Maul (Wandhöhle)

Thomas Hrovat, Christoph Grill und Matthias Leitner entdecken das "Weite Maul" für das Seilklettern und richten die ersten Sportkletterrouten ein. 

"ich hab dich lieb" von Christoph Grill zählt Mitte der Achtziger Jahre zu den schwierigsten Routen im Grazer Bergland (9+/10-).

Armin Buchroithner erschließt gemeinsam mit seinem Vater und Stefan Ribitsch zwei Mehrseillängenrouten mit jeweils 3 Seillängen.

"Akimverschneidung 4+ 1996 und Akimpfeiler 7/7+ 1997. Die Routen sind etwas für abenteuerlustige Alpinisten und geraten alsbald in Vergessenheit.

Michi Nedetzky erschließt "Dei Oide" (9)

Lechner Bernhard bohrt im rechten Teil 3 kurze Routen mit Schwierigkeiten von 5+ bis 8- ein.

Es beginnt die Erschließertätigkeit  von Joe Daxbacher und Christoph "Goofy" Rehrl (+) mit Klassikern wie "Luis Trenker" (9-), "John Brown reitet wieder" 9/9+ usw. Bis 2013 gehen nicht weniger als 9 Routen allein auf das Konto von Joe Daxbacher. (8- bis 10-)

Selbst im Inneren des weiten Mauls werden einige regensichere Routen bis zum Schwierigkeitsgrad 9- von Stefan Lieb, Christian Pointner und Oliver Mariani erschlossen. (Stirnlampen nicht vergessen)!

In den obersten Graden ist es wieder einmal Armin Buchroithner, der den Routen am weiten Maul die Krone aufsetzt.

"Kirikou"(10/10+), "Dirty Thirty" (10+/11-) und Modeselector (11-11). Letztgenannte Route gilt zum Zeitpunkt ihrer Erstbegehung als die Schwierigste im Grazer Bergland (2013). Kirikou wird vom späteren Boulder-Weltcupgesamtsieger 2018, Jernej Kruder aus Slowenien erstmals wiederholt.

Das, was für die allermeisten Kletterer jenseits aller Vorstellung ist, realisiert der junge Tragösser Mich Kemeter. Ohne jegliche Sicherung (free solo) klettert er zwei Routen im Schwierigkeitsgrad 9+/10 - (Mandala und Bruchheinzi).Ganz so nebenher klettert Mich in diesem kompromißlosen Stil noch "Dei Oide" (9) und "Höhlenbrunzer" (9/9+).

Auf eine abenteuerliche Reise der besonderen Art begibt sich Christoph Grill indem er allein, ohne jegliche Sicherung, von der Sechserhöhle zur Peggauer Wand traversiert. 

In den letzten Jahren gewinnt das weite Maul an großer Bedeutung für die steirische Sportkletterszene und speziell an sonnigen Wintertagen finden sich dort beste Verhältnisse und dementsprechend viele Kletterer.

Die "Youngsters": 

Im Winter 19/20 taucht ein blutjunges Brüderpaar an der Peggauer Wand auf. Während der zehnjährige Chrisi Leitner "Mandala (9+/10-) abhakt, ist sein neunjähriger Bruder im "Eiertanz 8-/8 erfolgreich.

"Girl Power":

Auch die Mädels präsentieren sich an der Peggauer Wand bärenstark und sind bis zum Schwierigkeitsgrad 9+/10- erfolgreich.

Linda Carlozzo klettert im Winter 2017/18 "John Brown reitet wieder" (9/9+) und legt mit Mandala (9+/10-) und Bruchheinzi (9+/10-) nach. Aber auch Kathi Grandl, Lisa Gradwohl, Melanie Kaiser, Kathi Brandl, Sophie Narath und Agnes Zintl ziehen sich erfolgreich die Finger lang und steigen eine Reihe schwieriger Routen durch.

Lovebox

1997 entdeckt Armin Buchroithner den Sektor Lovebox, am Zustieg zur Sechserhöhle gelegen und erschließt 4 Routen.

"Lovebox" ist die erste Route im Schwierigkeitsgrad 11- im Grazer Bergland.

Sun city

1999 erschließen Armin Buchroithner und Florian Dertnig die markante Wandflucht am Zustieg zur Sechserhöhle mit 4 Routen (7+/8- bis 9-).Armin bohrt anschließend noch eine ganze Reihe weiterer Projekte ein.

Auch für Boulderer ist dieser Bereich nicht ganz uninteressant. Klem Loskot erschließt die sogenannte Klemtraverse.(fb8a+), welche von Paul Rechberger und Stefan Endler wiederholt wird.

G-Spot

Lange blieb der Felsen, direkt unter dem weiten Maul gelegen, von den Kletterern unbeachtet. Obwohl der Weg zum weiten Maul direkt am Massiv vorbeiführte, bedurfte es wieder einmal den Visionen und des unermüdlichen Arbeitseinsatzes von Armin Buchroithner um aus diesem, dis dato unbeachteten Felsen ein beliebtes Kletterziel zu machen. Aufgrund der Beschattung durch die, am Wandfuß stehenden, Bäume ist es der einzige Sektor an der Peggauer Wand, der auch an sonnigen Sommertagen noch gute Verhältnisse für Kletterer aufweist.Bis auf eine Ausnahme werden sämtliche Routen von Armin erschlossen. Die Schwierigkeiten der Routen bewegen sich zwischen 6+ und 9+/10-.


Schlusswort:

Mir ist bewusst, dass ich eine ganze Menge an Routen, Begehungen und Protagonisten in diesem Artikel noch nicht berücksichtigt habe. Ganz einfach, weil ich´s nicht weiß oder schon wieder vergessen habe. Sobald ich was Neues von euch erfahre, werde ich den Artikel ganz einfach erweitern. Erstens weil´s mich selbst interessiert und Zweitens soll mit einer möglichst gut recherchierten Chronik den Behörden der Stellenwert der Peggauer Wand für den steirischen Klettersport dargelegt werden. Auf, dass wir vielleicht doch bald wieder dort klettern dürfen. 

Ein Gruppierung engagierter Kletterer hat sich bereits der Thematik "Sperrung Peggauer Wand" angenommen und versucht mit sachlichen, gut vorbereiteten, Verhandlungen die zuständigen Behörden wieder zu einer Freigabe für den Klettersport zu bewegen.

Ich bin sehr optimistisch.

Vielen Dank Armin Buchroithner für die Fotos.




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